Brigitte Karner

Schauspielerin, Witwe von Peter Simonischek

Foto: Brigitte Zaucke, © 2018

 

Seit 2022 ist Brigitte Karner

Schirmherrin der Hospizbotschafter:innen

„Ich hatte nie Angst vor dem Tod, sondern immer ein Bewusstsein dafür, dass der Anfang auch ein Ende birgt. Für mich ist das selbstverständlich.
Als Kind bin ich am Land aufgewachsen, meine Mutter war eine Bauerntochter mit 12 Geschwistern, da gab es immer wieder einen alten Menschen, der aufgebahrt wurde. Damit bin ich aufgewachsen. Die letzte bei uns zu Hause war dann meine väterliche Großmutter, das hatte nichts Schlimmes. Traurig war, dass der Vater geweint hat, weil es seine Mutter war. Der Tod selbst hatte nichts Bedrohliches.

Und als ich das erste Mal gehört habe, dass es einen Ort gibt, wo – wenn man spürt, dass es so in die letzte Runde geht – eine Institution, wo ich sagen kann: „Da will ich hin, dort will ich in aller Ruhe einfach noch mal schauen, wie es zu Ende geht, in Frieden, ohne Schläuche, ohne Krankenhaus. Da habe ich ein Zimmer, da sind Leute, die lieb zu mir sind, und ich kann sagen, ich darf auswählen, wer mich besuchen darf und wer nicht.“ Das fand ich großartig.

Peter, mein liebster Mensch, wurde krank, hatte eine schlechte Diagnose vor einem Jahr. Wir versuchten alles gut zu machen, versuchten die Zeit noch zu nutzen, er war – und wir waren zusammen – auf der Bühne, solange es ging. Ich habe mitgekriegt, dass er schwächer wurde oder dass ihm manches schwerer fiel, aber er hat nicht sehr geklagt.
Dass er für immer weggehen wird, konnte ich mir nicht vorstellen.
Ungefähr so zwei Wochen vor seinem Tod, hat er noch reinen Tisch mit vielen Sachen gemacht, was ich großartig fand. Er hat den Mut zu Sachen gefunden, die er vorher nicht gemacht hat. Er hat vieles geklärt und war immer ganz ruhig.
Peter ist Ende Mai gestorben, am 29. Mai 2023. Ungefähr drei Monate davor wollte er Waltraud Klasnic sehen. Er hat sie um einen Hospizplatz gebeten. Für mich war das damals so was von weit weg.
Dann hat die Leiterin des Hospiz am Rennweg in Wien mich angerufen und versprochen, dass er einen Platz bekommt und jederzeit dorthin kann, wenn er will. Und sie sagte: „Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wenn Sie wieder in Wien sind, schicke ich das Palliativteam vorbei. Dann lernt er auch die Leute kennen.“ Das war wunderbar.
Dann haben wir das zu Hause gemacht. Das Palliativteam war großartig. Fünf Menschen der Sonderklasse. Die Ärztin war großartig. Die zwei Pfleger waren großartig. Jeder in seinem Job – wunderbar. Als Menschen – wunderbar. Sie haben nur einen Fehler gehabt, sie haben keinen Kaffee getrunken, nur Wasser. Ich hätte Ihnen so gern etwas Liebes getan.
Sie kamen nicht jeden Tag, aber immer wieder. Und wenn Not am Mann war, kam sowieso laufend wer vorbei. Wir fühlten uns enorm behütet, enorm beschützt, aber keinesfalls belästigt. Es war ein Geschenk, wenn einer kam. Pfleger, Physiotherapeutin, Psychotherapeutin. So verging die Zeit. Dann habe ich dieses Krankenbett besorgt und habe ihn hier in der Wohnung rumgefahren, wir nannten das „Wohnung genießen“, weil sie ja so schön ist.
Er wollte noch mit den Kindern Fußball schauen, weil er Fußball so gern gehabt hat. Und als ihn dann Fußball nicht mehr interessierte, wussten auch die Jungs: „Jetzt wird’s ernst.“ Das stationäre Hospiz wurde kein Thema mehr, weil wir ja alles zu Hause machen konnten. Wir taten alles, was man auch im Hospiz macht. Nämlich alle haben sich unentwegt darum gekümmert, dass es ihm gut geht. Wir haben für ihn gesungen, ihm Geschichten vorgelesen, ….
Er wurde natürlich ärztlich betreut und bekam Morphiumpflaster, vor allem gegen die Panik beim Atmen. Einmal gab es einen Moment, so fünf Tage vor seinem Tod, da sagt er, ich solle einen Notruf machen, er bekäme keine Luft. Ich sagte, es gibt keinen Notfall, wir sind hier. Dann haben wir nach Rücksprache mit dem Arzt das Morphiumpflaster ausgetauscht und es war gut.
Alle Kinder waren da, die ganze Familie. Wir haben diese letzten drei, vier Tage wie Weihnachten, Ostern und alles, was schön ist, zusammen empfunden. Es war großartig und unglaublich traurig. Jeder hat mal geweint, aber es war trotzdem eine große Feierstimmung. Zum Essen sind wir in ein anderes Zimmer gegangen und haben ihn absichtlich allein gelassen, weil wir wussten, dass Menschen manchmal allein sein müssen, um gehen zu können. Uns allen war klar, dass es in die Richtung geht. Ihm natürlich auch. Aber es war voll entspannt. Und als am nächsten Tag dann der Pfleger kam, da hat er gesagt, dass er noch nie eine so entspannte Leiche gesehen hat.

Ja, und es war natürlich das Hospiz, das uns von Anfang an gut getan, gerettet hat, uns diese Situation ermöglicht und auch Sicherheit gegeben hat. Wenn wir davon nichts gewusst hätten, wäre alles anders geworden. Deswegen will ich, dass die Menschen davon erfahren.

Es gab auch keine Sekunde eine Diskussion darüber. Nichts. Keine Sekunde. Weil alle wussten, das ist optimal. Es kann nicht besser sein.
Die Pflaster und Tabletten haben ihn ja nicht geistesabwesend gemacht, ihn auch nicht getötet, sondern ihn beruhigt und entspannt. Als ich sagte: „Was möchtest du gern?“, hat er mich ganz klar angeschaut und gesagt: „Du weißt genau, was ich möchte.“ Und da war alles drin: Dass es bitte, wenn, dann schnell gehen soll, dass es nicht wehtun und weiter so schön sein soll, wie es eben war. Das war klar. Und, dass das so möglich war, hat mit dem Hospiz und dem Mobilen Palliativteam zu tun.
Ich wollte mich unbedingt bei dem Palliativteam bedanken, weil es so großartig war. Peter hat mich auch irgendwann angeschaut und gesagt: „Wir müssen uns bei ihnen bedanken.“ In den Arbeitsgesprächen haben wir das dann auch gemacht. Dann hieß es: „Wir sind selten so, wertschätzend behandelt worden.“ „Echt?“, sage ich, „Was heißt das?“ „Ja, wir sind ja bei vielen Familien zu Hause und machen natürlich das, was der Sterbende will. Und oft haben wir ganz viel Auseinandersetzung mit den Angehörigen, weil die andere Sachen wollen.“
Das war mir sehr fremd. Uns allen ging es darum, dass der Sterbende – also lang war Peter für mich noch nicht der Sterbende, aber für das Team schon, die haben das schon gesehen, – kriegt, was er braucht. Dass das überhaupt nicht selbstverständlich ist, kann ich gar nicht verstehen.

Ich fände es wichtig, wenn wir lernen würden, anzuerkennen, dass der andere jetzt auf einem anderen Weg ist. Es hat keinen Sinn, ihn in meinem Interesse zurückzuhalten, sondern man muss ihn gehen lassen.

Wir müssen daran arbeiten, dass die Leute die Angst davor verlieren, weil es ein ganz normaler Umstand ist, dass jeder stirbt. Das verdrängen wir. Wir lügen uns permanent an: Der Alltag, alles, was da draußen passiert, passiert, um den Leuten zu sagen: Du wirst nicht sterben.

Ein Hospizteam wegzudrängen, nicht ins Leben herein zu lassen, hat vielleicht auch ein bisschen damit zu tun, dass man nicht glauben kann, dass es solche Menschen gibt, wie in diesem Bereich arbeiten. Es gibt Menschen, die einfach für andere da sind, obwohl sie sie nicht kennen. Und für einen Patienten alles machen, was er will, ihn betreuen, ihn spüren und ihm helfen können – oder für eine Patientin. Das ist ein VOR-Paradies, was da passiert. Das gibt es und es ist ganz wichtig, dass sich das ein bisschen verbreitet, dass die Leute einen kleinen Hoffnungsschimmer haben.

Ich engagiere mich deshalb für Hospiz und Pallliative Care, weil ich so gern möchte, dass die Leute davon erfahren. Das ist mein Ansatz. Ich möchte, dass die Leute wissen, dass es das gibt.
Ich möchte Ihnen sagen, Ihr könnt euch freuen, es gibt wunderbare Unterstützung. Nehmt früh genug Kontakt mit einem Hospiz, mit einer Palliativstation, mit einem Mobilen Palliativteam auf. Die Palliativärzt:innen, -pflegepersonen und Hospizbegleiter:innen wissen, was getan werden kann. Wenn jemand dringend an den Schlauch will, dann wirst du das nicht verhindern können. Aber die wenigsten wollen das. Ich würde heute, wenn ein Mensch schwer krank ist, mich zuallererst um Hospiz und Palliative Care bemühen.

Buchtipp:

Peter Simonischek mit Saskia Jungnikl-Gossy
Kommen Sie näher
Erscheinungsdatum: 5. Oktober 2023, Wien
Molden Verlag in Verlagsgruppe Styria GmbH & Co. KG, 208 Seiten
ISBN-13: ‎978-3222151200