„Es war so berührend und bereichernd und wirkt auch Tage später noch nach!“
Teilnehmerin aus Salzburg
„Einsamkeit ist kein gewünschter Zustand!“, mit diesen Worten eröffnete Astrid Panger als derzeitige Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung das gemeinsam mit dem Leidfaden, Fachmagazin für Krisen, Leid und Trauer und dem Kardinal König Haus veranstaltete zweitägige Symposium. Unter dem Titel „wunde Einsamkeit – Sehnsucht nach Verbundensein“, fanden sich über 200 Teilnehmende aus Österreich, Deutschland und der Schweiz im Kardinal König Haus in Wien ein, um sich umfassend mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sylvia Brathuhn ergänzte in ihren Begrüßungsworten, „Wir möchten in diesen beiden Tagen versuchen, den vielen Gesichtern der Einsamkeit zu begegnen!“
Patrick Schuchter differenzierte zunächst die Begriffe: Einsamkeit und soziale Isolation – um beim Publikum ein einheitliches Bild entstehen zu lassen. Während es bei der sozialen Isolation um das Fehlen von sozialer Integration und Unterstützungsnetzwerken geht, ist es bei der Einsamkeit das eigene Gefühl, das Empfinden, dass jemanden „sich einsam fühlen“ lässt. Auch Menschen, die Unterstützungsnetzwerke haben und sozial integriert sind, können sich einsam fühlen. Eine weitere Differenzierung nahm Patrick Schuchter vor: allein sein vs. Einsamkeit – als Person kann ich (selbstgewählt) allein sein, aber zugleich auf viele Arten und Weisen mit anderen verbunden sein.
Katharina Gutiérrez-Lobos, Initiatorin der Plattform gegen Einsamkeit, beleuchtete das Thema Einsamkeit aus einer medizinischen Perspektive. In Österreich sind (lt. dem Lonelyness-Survey von 2022) rund 10 % aller Einwohner:innen von Einsamkeit betroffen. Aktuell richten sich die meisten Interventionen an ältere Menschen, obwohl Jugendliche hier größeren Bedarf haben, weil sie oftmals nur schwer mit Einsamkeit umgehen können. Zwei Fragestellungen, die auch für die Vortragende selbst noch offen waren, wurden mit dem Plenum geteilt und regten Diskussionen in der Pause an: „Wie erfahren einsame Menschen von Angeboten für sie? Wie kann zielgerichtet Öffentlichkeitsarbeit zum Thema betrieben werden?“
Rainer Simader und Maria Streli-Wolf moderierten erfrischend und achtsam durch die zwei Veranstaltungstage und stellten auch beim Podiumsgespräch kurz vor der Mittagspause die richtigen Fragen, um Einsamkeit aus den Perspektiven von obdachlosen Menschen, von Armut betroffenen Menschen, Alleinerziehenden, Menschen mit LGBTIQA+ Identität, Menschen mit Migrationserfahrung und schwer erkrankten Menschen zu betrachten.
Nach der Mittagspause gab es für die Teilnehmenden die Möglichkeit, aus acht verschiedenen Workshops zu wählen, ehe dann das Gespräch mit dem ehemaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober, „Einsam an der Spitze“, den inhaltlichen Abschluss des ersten Veranstaltungstages bildete. Eingestimmt durch die Musiker:innen Julia Schelling und Jakob Neumüller startete das Get-Together im Foyer des Hauses zum Austausch, zum Reflektieren und zum Zusammensein.
„Einsamkeit ist ein Gefühl, dass vielleicht Angst und Schmerz hervorbringt, möglicherweise kann es aber auch ein Geheimnis sein.“
Pater Schuhmacher vom KKH
Mit dem Beitrag von Reiner Sörries „Die Kraft des Alleinseins“ startete der zweite Tag des Symposiums. „Allein sein ist selbstgewählt, zeitlich befristet, zielgerichtet und kein Zuckerschlecken“ – diese Aussage belegte Reiner Sörries mit zahlreichen Bildern aus Geschichte und Gegenwart.
Im Anschluss sprach Chris Paul zur Stigmatisierung im Zusammenhang mit Einsamkeit und Suizid – „Stigma ist ein Brandzeichen, im wahrsten Sinne des Wortes, um Menschen zu zeichnen und damit zu zeigen, dass sie nicht dazugehören, ob sie wollen oder nicht!“ Das peinlich berührte Wegschauen oder begafft werden von betroffenen Menschen beschreibt Chris Paul als das Zwei-Blick-Phänomen, mit dem viele, häufig aufgrund von Unsicherheit und Überforderung, reagieren. Das Fazit des Vortrags: Wichtig wäre es, Räume zu schaffen, in denen Begegnungen stattfinden können, wo gleich betroffene (z.B. Trauergruppe für Verbliebene nach Suizid) und gleich gesinnte Menschen zusammengeführt werden.
„Das Stigma der Einsamkeit springt über auf die, die sich mit den betroffenen Menschen solidarisieren.“
Chris Paul
Nach einer stärkenden Pause gab es für die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in acht verschiedenen Workshops einzelnen Aspekten der Thematiken Einsamkeit und Verbundensein spezifisch anzunähern.
Berührend und tiefgründig startete der Nachmittag: Auf der Bühne empfing Katharina Posch, eine Frau, die seit einem Schlaganfall ein Locked-in-Syndrom hat, die Teilnehmenden. Mit dabei ihre Assistentin und ein mit den Augen gesteuerter Computer, der Katharina Posch eine Stimme verleiht. Tiefe Einblicke in ihr Leben, wie es sich anfühlt, nur teilweise den Kopf und die Augen selbstständig bewegen und sich nicht verbal artikulieren zu können, wurde in einem von Katharina Posch erstellten Text, den ihre Assistentin vortrug, spürbar – berührend und ermutigend.
Im Anschluss folgte eine Lesung von Christian Metz mit dem Titel „Mut zur Endlichkeit – Sterben in einer Gesellschaft der Sieger“, der sich an einem Text von Fullbert Steffensky orientierte.
„Einsamkeit ist ein Ort, an dem wir uns selbst begegnen.“
Khalil Gibran
Den Abschluss des zweitägigen Symposiums bildete eine Geschichte mit dem Titel „Leerstelle“ von Matthias Schnegg, die das häufig mit „Schwere“ konnotierte Thema Einsamkeit noch einmal sehr hoffnungsvoll und mit Leichtigkeit beschrieb.
„… den vielen Gesichtern der Einsamkeit begegnen…“ war ein Wunsch zu Beginn des Symposiums – dieser wurde zu 100 Prozent erfüllt!
Vielen Dank an alle Teilnehmenden, die sich so intensiv auf das Thema und die Inhalte eingelassen, und die Schwere, die manchmal da war, ausgehalten haben! Ein herzliches Dankeschön ergeht an alle Referent:innen sowie den Kolleg:innen der Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung, dem Leidfaden, Fachmagazin für Krisen, Leid und Traueund den Mitarbeitenden aus dem Kardinal König Haus, die zum Gelingen dieser großartigen Veranstaltung beigetragen haben!