Die meisten Menschen haben Angst vor dem Tod. „Media vita in morte sumus“ wusste man im Mittelalter:„Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben“. Der Tod gehörte zum Leben. Heute gehört er scheinbar nicht mehr dazu, wir haben gelernt, ihn zu verdrängen und, so weit als möglich, zu verstecken – aber er ist trotzdem da.
Als Sekretärin von Kardinal König habe ich diesen oftmals zu Kranken und Sterbenden begleiten dürfen, auch in verschiedene Hospiz-Einrichtungen. Ich erinnere mich noch gut – ich habe mich anfänglich gewundert über die, ich kann es nicht anders nennen, zumeist unaufgeregte, liebevolle und – ja, fast fröhliche – Atmosphäre in den hellen, großzügig geplanten und ausgestatteten Räumen, die doch von ihrem Wesen und ihrer Bestimmung her eigentlich viel eher als ernst und bedrückend einzustufen wären und wohl in der Vorstellung vieler Menschen, die damit keine Erfahrung haben, auch so existieren.
Erst nach und nach habe ich verstehen gelernt, worum es hier eigentlich geht.Wenn man, wie ich es durfte, erlebt hat, dass es möglich ist, liebevoll begleitet, seine letzte Wegstrecke in Geborgenheit und Klarheit und Vertrauen zu gehen, ohne Angst oder Bedrängnis, dann verliert man selbst die Angst vor dem Tod. Dann lernt man ihn, der das Leben erst kostbar macht, zu akzeptieren als den wichtigsten Moment nach der Geburt, der uns immer mahnt, unsere Zeit nicht zu vergeuden und jeden Augenblick bewusst zu leben. Und umso besser das gelingt, umso „leichter“ wird es dann einmal sein.
Aber nicht alle Menschen haben diese Erfahrungen machen dürfen. Und daher haben viele Angst. Und wenn man nachfragt, dann wird meist deutlich: es ist mehr die Angst vor dem Sterben als vor dem Tod. Und weil das so ist, ist die Hospizbewegung so unersetzlich geworden. Sie ruft uns das alte Wissen in Erinnerung, aus einer Zeit, da Glaube und Leben noch eine Einheit bildeten und hilft uns damit, für uns selbst und die, die wir lieben, aber auch für die, die niemanden haben, jenes Maß an Würde zu bewahren, das Gott jedem von uns zugedacht hat, vom ersten Atemzug bis zum letzten.