Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Wir sammeln schöne Momente

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Wenn Eltern erfahren, dass ihr Kind an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, gerät ihre Welt aus den Fugen. Liebe, Angst, Fürsorge und Unsicherheit vermischen sich zu einer Wolke, die sich in jeden Bereich des Alltags drängt. Wir von MOMO, Wiens mobilem Kinderhospiz und Palliativteam, sind für diese Familien da und helfen ihnen, ihr Leben bestmöglich zu gestalten.

Die Erkrankungen der kleinen Patientinnen und Patienten sind so unterschiedlich wie die Lebenssituationen ihrer Familien, und doch verbindet sie ein gemeinsamer Wunsch: der Wunsch, zu Hause zu leben. Damit das gelingen kann, brauchen wir Wissen und Erfahrung aus unterschiedlichen Disziplinen. Deshalb arbeiten bei MOMO Kinderärztinnen und -ärzte und eine Palliativmedizinerin, Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, eine Physiotherapeutin, Sozialarbeiterinnen, eine Klinische und Gesundheitspsychologin, eine Musiktherapeutin und ein Hospizteam mit 48 ehrenamtlich tätigen Frauen und Männern. Im Hintergrund sorgen unsere Kolleginnen in der Verwaltung, in PR und Fundraising dafür, dass unsere Organisation rund läuft.

Gemeinsam schaffen wir es, etwa 120 MOMO-Familien rund ums Jahr medizinisch und therapeutisch zu betreuen. Vor kurzem haben wir die Versorgung von 50 weiteren kleinen Patientinnen und Patienten aus den kooperierenden Spitälern übernommen. Zum Schutz vor Ansteckung mit COVID-19 sollen sie Kontrolluntersuchungen, Visiten, Blutabnahmen und Therapien möglichst daheim erhalten. Ebenfalls aufgrund von COVID- 19 waren Hausbesuche in den letzten Wochen grundsätzlich medizinischen und pflegerischen Behandlungen vorbehalten. Erst seit wenigen Tagen gibt es vereinzelt wieder Besuche oder Treffen mit den Familien im Freien, immer unter Einhaltung der Hygieneempfehlungen.

Wie unser Alltag aussieht, kann ich am besten mit einem Streifzug durch eine MOMO-Woche von Montag bis Freitag erzählen. An den Wochenenden und in der Nacht übernehmen wir durchgehend Bereitschaftsdienst.

Montag – für den Moment

Mein erster Besuch der Woche führt mich zu einer Familie im 6. Wiener Gemeindebezirk. Seit drei Monaten komme ich regelmäßig zu Bernd und seinen Eltern. Als er sieben Wochen alt war, diagnostizierten die Ärzte eine seltene Stoffwechselerkrankung. Der Kleine kann sich kaum bewegen, das Atmen strengt ihn an, aber er ist schmerzfrei und genießt jede Berührung. Der Mutter ist aufgefallen, dass ihm das Schlucken zunehmend schwerfällt. Bald wird er eine Ernährungssonde brauchen. Wir nehmen uns Zeit, um gemeinsam zu besprechen, was diese Umstellung für Bernd und seine pflegenden Eltern bedeutet.

Dienstag – entlastende Worte

Uschi, unsere Klinische und Gesundheitspsychologin, telefoniert mit Bernds Eltern. Die Mutter kennt sie von früheren Besuchen, diesmal ist aber auch Bernds Vater dabei. Er wird seinen Sohn in den nächsten fünf Monaten betreuen. Er hat Sorge, ob er mit allem zurechtkommen und sich auch ausreichend um den älteren Bruder wird kümmern können.

Uschi erzählt von der Möglichkeit, eine ehrenamtliche Mitarbeiterin in die Familie zu holen, die den Bruder besuchen, sich mit ihm beschäftigen und so die Eltern ein wenig entlasten könnte. Sie bietet an, den Kontakt zu Elisabeth herzustellen, die die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen koordiniert und mit viel Einfühlungsvermögen immer die richtige Person für die Aufgabe findet. Und für den Fall, dass sich die Eltern spirituellen Beistand wünschen, könnte auch Doris, die Seelsorgerin, eingebunden werden.

Mittwoch – gemeinsame Wege finden

Sabrina ist 13 und wie alle Mädchen in diesem Alter, interessiert sie sich für Mode. Anders als die meisten Mädchen aber leidet sie einer spinalen Muskelatrophie. Sie sitzt im Rollstuhl, aus dem sie allmählich herauswächst. Für einen größeren aber muss erst die Wohnung umgebaut werden.  Ein barrierefreies Bad, breitere Türstöcke – all das kostet Geld, und dafür gibt es Förderungen. Um sich im Dschungel aus Ämtern und Formularen zurechtzufinden, braucht man viel Erfahrung – und die bringt unsere Sozialarbeiterin Irmgard ein. Sie hat die Formulare schon vorab per Mail an Sabrinas Eltern geschickt. An diesem Mittwoch werden sie gemeinsam ausgefüllt, online natürlich.

Donnerstag – mitten drin

Vom Bett in den Rollstuhl schafft Sabrina es alleine. Gegen die Verspannungen und Versteifungen vom langen Sitzen hilft regelmäßige Bewegung. Vor Corona hat Erna, MOMOs Physiotherapeutin, Sabrina regelmäßig besucht und mir ihr trainiert. Heute liegt Sabrina alleine auf der Gymnastikmatte am Boden, der Laptop steht neben ihr. Erna zeigt über den Bildschirm die Übungen vor und Sabrinas Mutter hilft bei der Durchführung. Wäre Erna richtig dabei, wäre es schöner – aber vorübergehend geht es auch so, sind sich alle einig.

Freitag – rundum gut versorgt

Sonja, unsere MOMO Gesundheits- und Krankenpflegerin, besucht zum dritten Mal Familie S. Irina, eine kleine Tracheostoma-Patientin, braucht professionelle Pflege – und die lässt sich ebenso wenig wie ärztliche Betreuung völlig aufs Telefon verlegen. Sonja versorgt die kleine Patientin und übt mit ihren Eltern den Umgang mit Kanülen, der Ernährungssonde und zeigt, wie sie das Mädchen am besten waschen, betten und in ihren Rollstuhl heben können. Auf Spaziergänge müssen sie bis auf weiteres leider verzichten, aber auch ein Ausflug auf den sonnigen Balkon ist eine schöne Abwechslung.  So wie die Verabredungen mit Ricarda, der Musiktherapeutin von MOMO.

Es sind diese Momente, die für die Kinder und ihre Familien so wichtig sind. Momente, in denen es allen gut geht und wir den Familien Sicherheit vermitteln können. Wenn es uns gelingt, viele solcher Momente zu ermöglichen, dann haben wir unsere Aufgabe erfüllt.

Dr.in Martina Kronberger-Vollnhofer, MSc (Palliative Care), Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, Gründerin von MOMO, Wiens mobilem Kinderhospiz und Kinderpalliatvteam. Davor 20 Jahre lang am St. Anna Kinderspital als Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde sowie als pädiatrische Hämatoonkologin. Kontakt: martina.kronberger@kinderhospizmomo.at


In Österreich gibt es aktuell insgesamt 12 Kinder-Hospizteams und 14 Mobile Kinder-Palliativteams. Ehrenamtliche Kinder-Hospizbegleiter*innen und die multiprofessionellen Mobilen Kinder-Palliativteams begleiten und betreuen schwerkranke Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene samt ihren Familien dort, wo sie gebraucht werden, v.a. zu Hause. Kinder-Hospizbegleiter*innen nehmen sich auch oft der Geschwister der schwerkranken Kinder an.

Kinder-Hospizteams und Mobile Kinder-Palliativteams sind Teil des österreichischen Abgestuften Konzepts der Hospiz- und Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und ihre Familien. Die Empfehlungen des Dachverbandes Hospiz Österreich zur Umsetzung des Konzepts finden Sie hier.

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