Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Was bleibt… Einblicke in ein Tageszentrum für SeniorInnen

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Ich habe lange überlegt, wie ich diesen Beitrag über das Tageszentrum gestalten soll. Was der Gegenstand meines Berichtes sein soll – lachende Seniorinnen und Senioren, die sich, einzeln oder in Paaren, im Takt der Musik bewegen?

Oder sollte ich Gedächtnistraining beschreiben, bei dem Anagramme erstellt und SchriftstellerInnen erraten werden? Oder vielleicht doch die Englischkonversationsrunde, bei dem über Jobs und Hobbies gesprochen und über zweideutige Witze gelacht wird?

Ich könnte die Kreativgruppe, die Tanzgruppe, die Mathematikgruppe, die Kinorunde, die Kochgruppe, die Bibelrunde, die Musiktherapie, die Physiotherapie und vieles mehr beschreiben.

Ich könnte aber auch beschreiben, wie es sich anfühlt, mitten am Tag im Garten neben Frau H. zu sitzen und einen Baum zu betrachten. Nichts mehr und nichts weniger, weil es genau das ist, was Frau H. jetzt braucht.

Ich könnte über die immer wiederkehrenden Gespräche schreiben, die Frau S. mit Frau D. führt, während beide am Weg zur Morgengymnastik sind. Beide Damen kichern und freuen sich sichtlich an der Gesellschaft der jeweils anderen und gleichzeitig finden sie ohne die aufmerksame Leitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Raum, in dem die Morgengymnastik stattfindet, nicht mehr.

Ich könnte die strahlenden Gesichter der Tagesgäste beschreiben, wenn unser Therapiehund Lucy in den Raum stürmt und vor Freude mit dem Schwanz wedelt.

Ich könnte davon berichten, wie herzlich ich gemeinsam mit Menschen lache, die ihre Sprache schon fast verloren haben.

Ich könnte beschreiben, wie gut es sich anfühlt, einfach die Hand eines anderen Menschen zu halten.

Ich könnte aber auch beschreiben, wie hilflos wir uns manchmal fühlen, wenn wir mit der überwältigenden Trauer, der Wut und der Ohnmacht der An- und Zugehörigen konfrontiert sind. Wie es sich anfühlt, der Zerreißprobe zwischen professionellem Handeln und Mitgefühl Stand zu halten und trotzdem beidem Raum zu geben – auch darüber lohnte es sich, zu schreiben.

Ich könnte beschreiben, wie still es zeitig in der Früh im Tageszentrum ist, wie das Sonnenlicht, das in die Räume scheint, den Empfangsbereich im Laufe des Tages in unterschiedliche Atmosphären taucht.

Und was ist es, das bleibt?

Der Mensch als Individuum mit all seinen Bedürfnissen und seiner eigenen Geschichte.

Dieser Mensch steht im Mittelpunkt unserer täglichen Arbeit – wir sehen uns sowohl als Begleiterinnen und Begleiter unserer Tagesgäste in ihrer jeweiligen Lebenssituation, als auch als Begleitende ihrer An-und Zugehörigen in deren jeweiliger Situation.

Das Tageszentrum abschließend zu beschreiben, fällt mir schwer, weil jeder Tag – manchmal jede Stunde – anders ist. Denn wir begleiten sowohl Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, als auch Menschen, die keine kognitiven Einschränkungen haben. Menschen, die „nur“ hochaltrig sind. Diese Mischung macht die Arbeit im CS Tageszentrum sehr lebendig, sehr bereichernd und berührend, aber immer wieder auch sehr fordernd.

Ich lade Sie ein, entdecken Sie das CS Tageszentrum für Seniorinnen und Senioren!

Marianne Buchegger, Leitung CS Tageszentrum für Seniorinnen und Senioren am Rennweg
©Foto: pexels