Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Trotz allem bleibt Beziehung

veröffentlicht am

Vorausschauende Planung ist nicht nur für jene Menschen wichtig, die ihr Leben und Sterben planen möchten, sondern auch Orientierung für ihre An- und Zugehörigen. Viele Möglichkeiten, vorausschauend zu planen, sind daher als Gesprächsprozess konzipiert, an dem die betroffenen Menschen und ihre An- und Zugehörigen beteiligt sind. So auch der VSD Vorsorgedialog.

Ich treffe Frau B., diplomierte Krankenpflegerin, zum Gespräch über den Vorsorgedialog, die Übersiedelung ihrer Mutter ins Pflegeheim, die Veränderungen der Beziehung und die Wichtigkeit der Orientierung.

Meine Mutter hat bei mir gelebt, wissen Sie, meine Mutter war auch Krankenschwester, wie ich. Wir haben sogar 5 Jahre auf dergleichen Station gearbeitet…. Alle haben sie ‚Frau General‘ genannt. Ja, als sie älter wurde, hat sie dann also bei mir gewohnt. Meine Mutter war und ist nicht an Demenz erkrankt, sie war lange ganz selbstständig. Mit der Zeit ist sie aber in ihrer Mobilität immer eingeschränkter geworden, da war sie schon ungefähr 90 Jahre alt. Mit Hilfsmitteln war sie mobil, aber ich war als Tochter auf einmal in der Pflege und Betreuung meiner Mutter gefordert.

Meine Geschwister sind alle im Ausland, ich war allein zuständig. Meine Tante, die jüngste Schwester meiner Mutter, war ungefähr in meinem Alter und eine große Stütze für mich, fast wie eine Schwester. Mit ihr habe ich viel über meine Belastungen gesprochen. Meine Tante, meine Mutter und ich haben dann begonnen, zu überlegen, was möglich ist, was sein soll und wie es weiter gehen kann. – Meine Mutter hat natürlich bemerkt, wie es mir geht und dass ich stark belastet bin. Ich hab‘ mich so verantwortlich gefühlt, habe keinen Urlaub mehr gemacht, nichts. Ich war absolut überlastet. Parallel dazu ging es Mama körperlich schlechter, so, dass Betreutes Wohnen* keine Möglichkeit mehr war. Meine Tante und ich haben also eine Heimhilfe und einen ehrenamtlichen Besuchsdienst für meine Mutter organisiert. Diese ehrenamtliche Kollegin hat mir dann von einem Pflegeheim in Kalksburg erzählt, das letztes Jahr nach einem Umbau neu eröffnet wurde und wo es noch freie Zimmer gab.

Dann habe ich mir das Haus angesehen und es hat mir gut gefallen. Ich wusste, dass es für Mama und mich zu Hause nicht mehr geht. Ich habe dann alles mit meinen Geschwistern und mit meiner Tante, aber natürlich auch mit Mama besprochen. Immer wieder haben wir uns in unterschiedlichen Zusammensetzungen getroffen und beraten. Letzten Endes hat meine Mutter die Entscheidung getroffen und wir haben sie angemeldet. Im Februar dieses Jahres ist meine Mama dann eingezogen.

Nach dem Einzug wurde das erste Vorsorgedialoggespräch mit Ihrer Mutter und Ihnen geführt. Wie war es für Sie als Tochter, Ihre Mutter über ihr Leben und Sterben sprechen zu hören?

Eigentlich angenehm… berührend. Wir haben die Gespräche mit einer Ärztin, der Stationsleitung, einer Mitarbeiterin und einer Sozialarbeiterin geführt. Das war schon intensiv, aber wir, meine Mama und ich, haben einen eigenen Zugang dazu (Frau B. weint etwas). Mama ist vorbereitet. Meiner Mutter ist es wichtig, dass alle wissen, wie in einer Notsituation zu handeln ist. Sie will niemandem zur Last fallen, sieht sich aber als Belastung. Und, wissen Sie, das war sie in gewissem Maße für mich zu Hause ja auch. Gleichzeitig wussten wir beide, und wissen es jetzt auch, dass auch ich als Tochter auf mich schauen muss. Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen und mache mir Vorwürfe. Das wird jetzt langsam etwas besser, vor allem dann, wenn meine Mama erzählt, wie gut es ihr im Pflegewohnhaus gefällt. Sie ist gerne unter Menschen und kann auch ihre Selbstständigkeit leben. Das zu wissen, hilft mir.

Pflegeheim und Selbstständigkeit – passt das zusammen?

Ja. Meine Mutter hat von Anfang an gesagt, dass sie alles, was ihr wichtig ist und was möglich ist, selbst machen möchte. Das wurde auch im Vorsorgedialog so festgehalten.

Meine Mutter ist, zum Beispiel, eine sehr ordnungsliebende Person. Sie hat in ihrem Zimmer ein Zimmer-WC für die Nacht. Da es ihr wichtig ist, dass das Zimmer-WC gleich nach dem Aufstehen in der Früh entleert wird, und sie weiß, dass sie dafür auf das Pflegepersonal warten müsste, macht sie das selbst. Alles, was meine Mutter möchte, wird unterstützt und respektiert. Das hat mir als Tochter sehr geholfen.

Wie hat sich Ihre Beziehung verändert?

Jede von uns hat jetzt ihren Lebensbereich. Ich fange an, mein Leben wieder zu genießen, ich fahre auf Urlaub, weil ich weiß, dass es Mama gut geht. Wir telefonieren trotzdem jeden Tag, sonst würden wir uns vermissen (lacht).

Gibt es etwas, das sie anderen An-Zugehörigen raten möchten?

Das ist schwierig zu sagen, weil ja jede Familie ganz individuell ist. Sagen kann ich aber mit Sicherheit, dass mir die Entscheidung für das Pflegeheim nicht leichtgefallen ist. Ich habe sehr mit mir gerungen und hatte eine sehr schwere Zeit, als meine Mutter dann schlussendlich eingezogen ist. Meine Mutter und ich sind aber immer, die ganze Zeit hindurch, miteinander in Kontakt geblieben.

Vielleicht ist es das, was ich jemandem raten könnte: ‚Bleibt in Kontakt miteinander und haltet die Beziehung aufrecht, auch wenn sie sich verändert. Trotz allem bleibt die Beziehung.‘

Das Gespräch führte Marianne Buchegger

*Betreutes Wohnen

Betreutes Wohnen ist eine Wohnform unter anderem für ältere Menschen, bei der eine altersgerechte Wohnsituation (wie Wohnungen oder Appartements in barrierefreier Bauweise) und konkrete Betreuungsleistungen miteinander kombiniert angeboten werden.

Die Bewohnerinnen/Bewohner wohnen in einer eigenen Wohnung mit der Möglichkeit, Verpflegung und Betreuung zu erhalten. In einigen Wohnanlagen werden bestimmte Dienstleistungen als sogenanntes Grundservice angeboten, die – je nach Bedarf – von mobilen Sozial- und Gesundheitsdiensten ergänzt werden können. Damit wird ermöglicht, solange es für die Bewohnerin/den Bewohner sozial und gesundheitlich möglich ist, in einer eigenen Wohnung zu leben.
Mehr Info

Bildquelle: pexels