Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Palliative Care – mit oder ohne Dialyse

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„Dialyse, die Nierenersatztherapie als volle Therapie, und dazu Palliative Care – wie passt das zusammen?“, werde ich häufig gefragt.

„Dialyse an multimorbiden Menschen und dabei nicht an Palliative Care zu denken, darf das sein?“, ist für mich die Frage.

Die Arbeit mit Dialysepatient*innen unter Einbindung von Palliativbetreuung ist für mich besonders,

weil

  • es so eine lange kontinuierliche Betreuung im klinischen Alltag gibt
  • großes jahrelanges Vertrauen besteht
  • diese Patient*innen oft mit Atemnot kämpfen
  • sie oft schwerstes Leid erfahren
  • diese Patient*innen oft von starken Schmerzen geplagt sind
  • oft große Ängste vorhanden sind
  • die Angehörigen Unterstützung suchen
  • das Sterben und der Tod kommen, und das auch mit und ohne Dialyse

„Schwester, danke fürs Zuhören, mit mir hat noch nie jemand über das Sterben so ehrlich und fein gesprochen wie Sie, danke dafür.“ Durch diesen Satz gab mir eine verstorbene 72jährige Patientin große Kraft für meinen Weg mit.

Zugegeben, es ist in der Praxis oft sehr schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, ob und ab wann ein Mensch an der Dialyse am meisten von Palliative Care profitiert. SPICT, der Leitfaden für die Identifikation zur Erkennung von Palliative Care Patient*innen, empfiehlt Palliative Care bei:

  • Chronischer Niereninsuffizienz mit deutlicher AZ-Verschlechterung
  • Niereninsuffizienz als komplizierender Faktor anderer Erkrankungen/Behandlungen
  • Beendigung oder Verzicht auf Einleitung einer Dialyse wird erwogen
  • Dazu kommen allgemeine Indikationen, welche auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes hindeuten können (SPICT-DETM 2019)

Dialysepatient*innen unterscheiden sich von anderen Patient*innen durch ihre jahrelange chronische Krankheit und somit der „chronischen Beziehung“ zum Pflegepersonal durch die Dauerbehandlung. Nicht selten dauert diese enge Beziehung über mehr als 20 Jahre. Man sieht sich bis zu 3 x wöchentlich für mehrere Stunden. Dadurch entsteht ein sehr nahes Verhältnis zu Mediziner*innen und besonders zu den Pflegepersonen. Dieses Nahverhältnis erschwert das Wahrnehmen und das Akzeptieren des Sterbeprozesses. Denn oft höre ich von Patient*innen: „Die Dialyse ist wie eine/meine Familie.“ Intensive und intime Gespräche werden geführt und schaffen enge Beziehungen zwischen den betroffenen Menschen und den Pflegepersonen. Auch mit den Angehörigen besteht oft schon ein jahrelanger Kontakt und die Zusammenarbeit ist meist gut. An- und Zugehörige sind sehr dankbar über die frühzeitige Kontaktaufnahme durch das Dialysepersonal. Doch über das Sterben und den Tod zu sprechen, liegt nicht jeder Pflegeperson, vor allem dann nicht, wenn sich diese zu wenig damit auseinandergesetzt haben.

Ich freue mich auf den Tag, wo die nephrologischen Mediziner*innen und Pflegepersonen mehr Ausbildung und Erfahrung in Palliative Care mitbringen. Ich bin überzeugt, ein ehrliches und offenes Gespräch mit Patient*innen, sowie der Mut nachzufragen, um zu erfahren, was der* die Betroffene am Lebensende wünscht, ist der Schlüssel für Lebensqualität vieler Dialysepatient*innen.

Auf die Wünsche der Patient*innen zu hören und so die Lebensqualität zu ermöglichen fühlt sich richtig an. Manchmal klingt es in meinen Ohren aber eher wie eine Drohung. „Aber Frau…. Sie wissen, wenn Sie die Dialysebehandlung beenden, werden Sie sterben!“ Eine Drohung mit dem Tod, wie ich es immer wieder höre, sehe ich als keine gute Option.

Therapiezieländerung durch Reduktion der Therapiezeit und dem Behandlungsintervall, um Symptome, die durch eine belastende Behandlung entstehen, unter Kontrolle zu bringen, stellen dagegen eine gute Option dar. Eine Therapiereduktion kann für betroffene, schwer kranke Menschen meist sehr entlastend sein. Es sollte dabei nicht mit dem Sterben gedroht, sondern das Sterben wahrgenommen und akzeptiert werden.

Dazu ein Beispiel.

Eine 86jährige dialyse- und herzkranke Patientin, mit starken Schmerzen aufgrund einer schweren peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Stadium IV, daraus folgend sind beide Füße abgestorben, wollte zu Hause sterben. Es wurde ihr immer wieder von der behandelnden Ärztin gedroht, sie müsse sterben, wenn sie die Dialyse abbricht und ihre Füße nicht amputieren lässt. In einem Gespräch mit mir sagte sie strahlend: „Mein letzter Wunsch ist eine Dauerwelle von meiner Enkeltochter, denn die hat gerade den 1. Preis bei ihrer Friseurmeisterprüfung gemacht! (Pause) Ich möchte ja schön sterben!“ Leider konnte ihr letzter Wunsch nicht erfüllt werden. Sie wurde amputiert, und starb ohne Dauerwelle.

Ein Dialysetherapieabbruch ist oft der letzte Schritt für die Betroffenen und das Behandlungsteam. Eine Betreuung auf einer Palliativstation kann dann sehr hilfreich sein. Mit guter Palliativbegleitung ist ein würdiges Abschiednehmen für die Betroffen, sowie deren An- und Zugehörige gut möglich.

Leider gibt es in meiner täglichen Arbeit mit Dialysepatient*innen für Gespräche sowie für die Begleitung von Angehörigen zu wenig Zeit. Die Beratungsgespräche werden bis dato nicht finanziert. Zu wenige Mediziner*innen verfügen über eine palliativmedizinische Ausbildung. Auch das fehlende Angebot von Supervision und die Möglichkeit zum regelmäßigen Austausch mit Kolleg*innen mit Palliativkompetenz vermisse ich.

DGKP Sabine Kiesenebner-Achleitner, Nierenersatztherapie und Palliative Care

Literatur:
SPICT-DETM ist ein Leitfaden zur Identifikation von Patient*innen, die von einer Palliativversorgung profitieren können, und bei denen ein Palliatives Basisassessment sowie eine palliative Versorgungsplanung angezeigt sind.  (SPICT-DETM, A 2019).