Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Medizin für alle

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Hajnal Kovacs leitet und koordiniert den Louisebus der Caritas Wien der Erzdiözese. Geboren und aufgewachsen ist Hajnal Kovács in Rumänien, nach ihrem Studium der Psycho-Sozialpädagogik ging sie nach Ungarn und lernte dort ihren Mann kennen. Seit ihrer Heirat im Jahr 2006 lebt und arbeitet Hajnal Kovács, die vier Sprachen spricht, in Österreich. Zur Caritas Wien der Erzdiözese kam sie 2014, sie war dort als Sozialberaterin, als Betreuerin, als Leiterin eines Tageszentrums tätig. Seit drei Jahren arbeitet sie als Koordinatorin für den Louisebus.

Was ist der Louisebus?

Das Projekt Louisebus ist ein mobiles, niederschwelliges, sozialmedizinisches Betreuungsangebot der Caritas der Erzdiözese Wien.  und richtet sich an Menschen ohne Versicherung, an Menschen, die von Obdachlosigkeit oder/und Armut betroffen sind oder aus anderen Gründen keine Versicherungsleistungen der Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen können. Das Projekt wird im Wesentlichen von ehrenamtlichen Assistent:innen und Ärzt:innen getragen und bietet von Montag bis Freitag immer zur selben Zeit an bestimmten Orten im Einzugsbereich der Stadt Wien gesundheitliche Versorgung an. Das Leistungsspektrum umfasst medizinische Basisdiagnostik (z.B. Erhebung von Vitalwerten und klinischem Status, Blutzuckermessungen, EKG und Blutabnahmen), basistherapeutische Maßnahmen (z.B. Verbandwechsel, Medikamentenapplikationen), organisatorische Maßnahmen (z.B. Ausgabe von Medikamenten, Rezepten, Überweisungen zu Kooperationseinrichtungen, Patientendokumentation, Vor- und Nachbetreuung sowie Anbindung der Patient:innen an entsprechende Versorgungseinrichtungen)

Den Louisebus gibt es seit 30 Jahren. Mehrere hundert Behandlungen werden seither Monat für Monat geleistet.

Seit den 1990er Jahren hat sich der Anbieterkreis erweitert, heute gibt es auch das Neunerhaus, Ambermed, Dock, PSD, die Barmherzigen Brüder, die Barmherzigen Schwestern und andere, die miteinander kooperieren, um diese Menschen zu versorgen.

Wie bist Du zu dieser Aufgabe gekommen?

Begonnen habe ich als Dolmetscherin, als ich noch im Tageszentrum der Zweiten Gruft tätig war und der Bus jeden Mittwoch vor unserer Einrichtung stand. Aufgrund meiner eigenen Migrationsbiografie, meines Namens, meines Akzents, der gemeinsamen Sprachen gelingt es mir schnell eine Verbindung herzustellen.

Wie kannst Du Eure Zielgruppe beschreiben?  

Sehr vielfältig, fast alle Menschen, die zu uns kommen, haben eine Migrationsbiografie und viele davon keinen Anspruch auf die Wiener Wohnungslosenhilfe, Soziallleistungen bekommen sie auch nicht. Viele leben ohne festen Wohnsitz und sind nicht mehr versichert. Sie alle benötigen ein niederschwelliges Angebot.  Wir orientieren uns ausschließlich an den Krankheitsbildern und fragen niemals: „Warum sind Sie nach Österreich gekommen, warum sind Sie auf der Straße?“ Es ist unsere zentrale Aufgabe, Vertrauen zu den Menschen aufzubauen. Die meisten haben traumatische Erlebnisse hinter sich, viele schämen sich. Schon zum Louisebus zu kommen und sich dort zu zeigen, ist ein sehr mutiger Schritt. Sichtbar zu sein ist für diese Menschen absolut angstbesetzt. Vertrauensaufbau ist daher das Wichtigste, denn nur, wenn die Menschen regelmäßig zu Louisebus kommen, können wir sie begleiten.

Inwiefern sind die Begleitungen bei Menschen mit Migrationsbiografie anders als bei einheimischen Personen?

Diese Menschen brauchen mehr Support, weil sie entweder der deutschen Sprache nicht mächtig sind und sich nicht ausreichend ausdrücken können, oder weil sie sich nicht trauen, allein zu uns zu kommen. Ohne Versicherung, ohne Perspektiven – weder in Österreich noch im Heimatland, noch dazu mit wenig Deutschkenntnissen würde ich wahrscheinlich aufgeben.

Welche Aufgabe hat der Louisebus in Bezug auf Palliative Care und Hospizarbeit bei Menschen mit Migrationsbiografie?

Unsere Aufgabe ist die Weitervermittlung an adäquate Einrichtungen, wo die Menschen untergebracht und medizinisch/pflegerisch versorgt werden können. Diese Aufgabe hat sich mit der Zeit etabliert, weil auch die Menschen ohne Leistungsanspruch mit Migrationsbiografie immer älter und kränker werden und mehr als eine Notquartierunterbringung benötigen. Eine Hospizunterbringung ohne Versicherung ist zurzeit in Wien allerdings nicht möglich.

Wir vom Louisebus können Menschen mit akuten Schmerzen behandeln, aber Menschen mit chronischen Schmerzen, psychisch Kranken, multimorbiden, älteren oder schwerkranken Personen, die rund um die Uhr Unterstützung benötigen würden, oder auch sterbenden Menschen können wir nicht ausreichend helfen. Unsere Klient:innen haben derzeit keinen Zugang zu Hospiz und Palliative Care. Trotzdem versuchen wir immer wieder, Menschen an Einrichtungen weiterzuvermitteln, wo sie palliativ begleitet werden können. Es passiert aber auch immer wieder, dass unsere Klient:innen diese Hilfe, wie z.B. ein Bett im VinziDorf-Hospiz in Graz, nicht annehmen können, weil sie es als Freiheitsentzug empfinden. Dann sterben sie in Krankenhäusern oder auf der Straße.

Aber der Louisebus ist für viele, die keine andere Möglichkeit haben, die erste Anlaufstelle. Hier werden auch Menschen an Krankenhäuser vermittelt und, wenn wir die Ressourcen haben, auch hinbegleitet. In allen Krankenhäusern Wiens gibt es einzelne Ärzt:innen, die uns unterstützen, obwohl diese Patient:innen nicht versichert sind.

Wie sieht die Zukunft aus?

Es gibt leider immer Menschen, die uns brauchen.

Vor zwei Jahren, als so viele Ukrainerinnen und ihre Kinder zu uns kamen, waren wir mit dem Louisebus am Hauptbahnhof. Sehr viele Ärzt:innen, die sonst keine regelmäßigen Dienste bei uns machen, sind gekommen, um auch diese Zielgruppe zu versorgen.

Es jetzt wichtiger denn je, dass sich die unterschiedlichen Angebote für nicht anspruchsberechtigte, geflüchtete, wohnungslose Menschen zusammenschließen, für diejenigen, die nicht in der Lage sind Versorgungsstellen, wie den Louisebus aufzusuchen. Vor ca. zwei Jahren wurde die NMB „Nachgehende Medizinische Betreuung“ ins Leben gerufen. Da arbeiten alle zusammen für die Menschen auf der Straße. Die Streetworker:innen suchen die Klient:innen mit den Ärzt:innen vom Med4Hope und Louisebus auf und so werden sie vor Ort versorgt.

Was hilft Dir, nicht auszubrennen?

Das Team. Das ist ein Geschenk! Es ist flexibel und vielfältig, wie unsere Zielgruppe. Alle sind intrinsisch motiviert.

Mir gibt auch das Engagement der vielen Ehrenamtlichen und Kooperationspartner:innen Halt. Weiteres habe ich gelernt, zuzulassen, was geschieht. Nur so kann ich Tatsachen annehmen und entsprechend aushalten. Z.B., dass es Menschen gibt, die ich nie wieder sehen werde, und andere, die kommen, um Hilfe bitten und sie doch nicht annehmen können.

 

Das Gespräch führte Marianne Buchegger, Leiterin eines Tageszentrums der CS Caritas Socialis

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