Eva Katharina Masel im Gespräch mit Rainer Simader
Univ. Prof.in DDr.in Eva Katharina Masel, MSc, ist Palliativmedizinerin und leitet die klinische Abteilung für Palliativmedizin am Allgemeinen Krankenhaus der Medizinischen Universität Wien. Als Medizinerin kommuniziert sie kontinuierlich und übermittelt auch immer wieder schlechte Nachrichten. Kommunikation bestimmt ihren Alltag, den Alltag des Teams, den ihrer Patient:innen und ihrer An- und Zugehörigen. In diesem Gespräch möchte ich von Eva Masel nicht nur wissen, ob man schlechte Nachrichten überhaupt gut übermitteln kann, sondern auch, wie Kommunikation für alle an einem solchen Gespräch Beteiligten Schutz bieten kann.
Liebe Eva, Sprache kann verbinden, kann uns aber auch trennen. Gerade beim Übermitteln von schlechten Nachrichten bleiben Patient:innen mitunter ängstlich, manchmal verstört zurück. Gibt es ein gutes Überbringen von schlechten Nachrichten, sodass wir danach mit den Betroffenen weiter gut in Kontakt bleiben können?
Eine schlechte Nachricht ist und bleibt eine schlechte Nachricht. Der Inhalt wird auch durch noch so gute Techniken nicht besser. Daher meine ich, dass wir sie nicht wirklich „gut“ überbringen können, sondern primär schnell. Und dennoch kommt es auf das „Wie“ an – denn das bestimmt, ob in der Zukunft Vertrauen aufgebaut werden kann.
Was ist ein gutes „Wie“ ? Und was meinst Du mit schnell?
Wir sollten nie vergessen, dass die Menschen, die wir begleiten, vor einer Vielzahl an Herausforderungen stehen. Symptome, Ängste und Sorgen, ihr ganzes Leben scheint aus den Fugen zu geraten oder tut es tatsächlich. Diese Menschen haben weder die Zeit, noch – aufgrund der Einschränkungen – die Kapazitäten, schlechte Nachrichten eingebettet in viele weitere Informationen aufzunehmen. Wenn ich in solche Gespräche gehe, habe ich ein klares Ziel. Ich finde die „Chunk & Check-Methode“ des Calgary-Cambridge Guide hilfreich. Wir bieten kleine und sehr konkrete Informationshäppchen (= chunk) an, rahmen diese mit sehr konkreten Fragen und gehen auf die Emotionen der Menschen ein (= check).
Leider wird – im Vergleich zu anderen Fähigkeiten – der Kommunikation nach wie vor nicht die Bedeutung zugeschrieben, die sie hat. In diesem Kontext stößt es mir immer wieder bitter auf, wenn von Kommunikation als Soft Skill gesprochen wird. Das rückt sie in die „nice to have-Ecke“. Kommunikation ist aber das wichtigste Werkzeug, das wir haben. Unsere Patient:innen haben ein Recht darauf und wir somit die Pflicht, Kommunikation genauso gut zu planen und zu beherrschen, wie einen Port zu stechen oder komplexe Wunden zu versorgen.
Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Wenn wir unsere Patient:innen mit Worten – wie auch immer – berühren, wirkt das auch auf uns …
…und das ist auch gut so. Wir müssen immer, immer – berührbar bleiben. Wenn ich berührbar bleibe, wenn ich auch in solchen Situationen zu meinen Emotionen Zugang habe, ich mich spüren kann, dann weiß ich, wie es mir geht und was ich brauche. Und gleichzeitig erlebt die Person, um die ich mich in dieser Situation kümmere, auch, dass ich authentisch bin und die Wahrscheinlichkeit, dass meine Botschaften ankommen, ist viel größer.
Mir scheint aber, dass viele Profis vor dieser persönlichen Berührung Angst haben.
Das führt dazu, dass viel Distanz entsteht. Ich finde, dass wir viel mehr darüber nachdenken sollten, was professionelle Nähe ist, als zu überlegen, wie wir auf Distanz gehen oder uns abgrenzen können. Dabei hilft es immer wieder, sich daran zu erinnern, dass wir nicht für eine schlechte Nachricht, den Zustand eines erkrankten Menschen oder die Ängste der Familie verantwortlich sind. So können wir in den Trost gehen und damit auch nah am Menschen bleiben. So wie wir es mit kleinen Kindern machen, wenn sie sich verletzt haben. Wir bleiben nahe dran, nehmen sie in den Arm und gehen auf ihre Gefühle ein.
Also, nahe an der Emotion bleiben…
Ja, und das bedeutet ja nicht, dass wir in allen Emotionen unserer Patient:innen und ihrer Angehörigen aufgehen und alle ihre Gefühle selbst erleben müssen. Aber wir brauchen keine Angst vor ihnen zu haben. Ich habe nicht nur einmal erlebt – und das ist kein Scherz – dass Kolleg:innen auf eine Zuweisung geschrieben haben: „Patient weint. Psychiatrisches Konsil erbeten.“
Was machst Du, wenn Du von den Geschichten sehr berührt bist und die Nachwirkungen spürst, die solche Arbeitstage hinterlassen?
Manchmal nehme ich sie mit in die Nacht, manchmal braucht es Musik, ein anderes Mal muss ich mich auspowern und ziehe meine Bahnen im Schwimmbecken, manchmal intellektualisiere ich (ja, die schöne Tragik der Poesie hilft!) und ein anderes Mal bin ich traurig.
Hast Du noch einen abschließenden Tipp, wie wir durch Kommunikation gut bei uns und zugleich bei anderen sein können?
„Silence is sexy“. Das gilt es zu verstehen. Das ist übrigens ein Album- und Songtitel der Band Einstürzenden Neubauten.
Eva, danke für dieses persönliche Gespräch.
Das Gespräch führte Rainer Simader, Leiter Bildung, HOSPIZ ÖSTERREICH