Kinder, Sterben, Tod, Trauer – Begriffe, die nicht gern in Zusammenhang gebracht werden. Kinder sollen mit den „dunklen“ Themen Tod und Sterben nicht belastet werden.
Viele Erwachsene haben im Laufe ihres eigenen Lebens keine offenen und ehrlichen Antworten auf ihre Fragen zu den Themen Sterben, Tod und Trauer erhalten. Es fällt ihnen dann selbst schwer, mit Kindern und Jugendlichen über diese Themen zu sprechen. Das kann dazu führen, dass sich Kinder und Jugendliche in der Auseinandersetzung mit diesen Themenbereichen allein gelassen fühlen.
Monika Specht-Tomann und Monika Benigni haben mit ihrer „Orientierungshilfe für Jugendliche – Leben und Sterben, Lachen und Weinen“ 2006 den Grundstein zu einer Veränderung gelegt und den Weg für „Hospiz macht Schule“ bereitet.
Aber was verbirgt sich eigentlich hinter „Hospiz macht Schule“?
Ich treffe Sonja Thalinger, Geschäftsführerin von HOSPIZ ÖSTERREICH und eine Mitinitiatorin von „Hospiz NÖ macht Schule“ zum Gespräch über Kinder, Jugendliche und den Tod.
„Wir haben schon früh bemerkt, dass wir etwas brauchen, um Kinder und Jugendliche zu unterstützen. Nicht nur in der Trauer, auch in der Auseinandersetzung mit den Themen Abschied, Tod und Sterben. Gemeinsam mit Elke Kohl habe ich mich umgehört und wir sind auf Monika Benigni und ihr Projekt „Hospiz macht Schule“ in der Steiermark gestoßen. Der Ansatz, Kinder und Jugendliche zu befähigen, mit den Themen Sterben, Tod und Trauer umzugehen, hat uns sofort begeistert.“
Wie laufen die Workshops bei „Hospiz macht Schule“ ab?
„Es sind immer mehrere, mindestens jedoch drei, aufeinander aufbauende Workshops zu je 2 Unterrichtseinheiten in der Schule plus einem Lehrausgang. Je nach Möglichkeit können die Einheiten auch geblockt werden und als Projekttage gestaltet werden. Es kommt immer auf die Gegebenheiten der Klasse und der Schule an. Sind diese Rahmenbedingungen geklärt, kommen zwei erfahrene und speziell ausgebildete ehrenamtliche Hospizbegleiter:innen in die Schulklassen und gestalten die Workshops.“
Mit entsprechenden didaktischen Methoden wird – abgestimmt auf die unterschiedlichen Altersstufen – behutsam an das Thema Abschied, traurig sein und trösten herangegangen. In der persönlichen Auseinandersetzung und durch das Kennenlernen von Hospiz- und Palliativarbeit wird eine Brücke zwischen Wissen und realem Erleben gebaut und soziales Lernen ermöglicht.
„Was mir wichtig zu betonen ist,“, sagt Thalinger, „ist, dass die Workshops nicht in der akuten Betroffenheit ansetzen, sie sind keine Krisenintervention. Es darf, soll und wird viel gelacht und kreativ gearbeitet. Es geht um das Leben und wie wir damit umgehen. Es geht darum, mit den Kindern auf Augenhöhe zu sein, ihre Fragen ernst zu nehmen und mit ihnen gemeinsam zu reflektieren. Sterben und Tod gehören zum Leben dazu – es kommt darauf an, dass die Kinder und Jugendlichen befähigt werden, mit diesen Themen umzugehen.“
Mittlerweile haben allein in Niederösterreich mehr als 400 „Hospiz NÖ macht Schule“ Projekte stattgefunden. Trotzdem frage ich nochmal nach: „Kinder und Tod? Geht das tatsächlich zusammen?“
„Natürlich!“, zeigt sich Thalinger überzeugt, „Durch die Workshops erhalten Kinder und Jugendliche die Möglichkeit Dinge auszuprobieren, zu reflektieren, sich auszutauschen und ihre Sinne für die Themen zu schärfen. Die Kinder werden für den Hospizgedanken sensibilisiert. Das Ziel von „Hospiz macht Schule“ ist es, Kinder und Jugendliche sicherer zu machen, wenn es um Lachen und Weinen, Leben und Sterben geht. Wir wollen erreichen, dass jungen Menschen bewusst wird, dass Abschied und Sterben, Trauer und Trost immer wiederkehrende Prozesse im Leben jedes Menschen sind. Kinder und Jugendliche sollen ermutigt werden, offen damit umzugehen und wissen, welche Möglichkeiten sie haben, zu unterstützen oder auch sich Unterstützung zu holen.“
Sonja Thalinger erzählt weiter: „Eine Kollegin aus einem Mobilen Palliativteam hat mir von einem Patienten erzählt, dessen Familie vom Nachbarskind auf die Möglichkeit von Hospiz- und Palliativbetreuung aufmerksam gemacht wurde. Das Nachbarskind kam eines Tages zu ihnen rüber und meinte: „Vielleicht würde sich Euer Opa über einen Besuch freuen – die vom Hospizteam kennen sich da aus!“ Dieses Kind hatte zuvor in der Klasse einen „Hospiz macht Schule“ Workshop gehabt. Darum geht es – um Sensibilisierung und das Wissen darum, wo und wie Unterstützung und Hilfe organisiert werden kann.“
Sonja Thalinger erklärt: „Es ist uns und der gesamten Hospizbewegung ein großes Anliegen, dass in unserer Gesellschaft ein offenerer Umgang mit dem Tod als Teil des Lebens passieren kann. Um das zu erreichen, müssen wir bei den Kindern beginnen und sie dafür stärken.“
Sonja Thalinger MSc ist Geschäftsführerin von HOSPIZ ÖSTERREICH und war Mitinitiatorin von „Hospiz NÖ macht Schule“
Ausgehend von der Steiermark wird „Hospiz macht Schule“ mittlerweile in Niederösterreich, Kärnten, Oberösterreich, Wien und Tirol angeboten. Interessierte Schulen können über die jeweiligen landeskoordinierenden Hospizverbände Kontakt zu den Projektteams von „Hospiz macht Schule“ aufnehmen. Die Workshops sind kostenfrei.
In allen Bundesländern gibt es Angebote der Hospizbewegung für Kinder und Jugendliche zum Thema.