Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Herzlich willkommen im Hospiz am See!

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Dieser Text ist vor Ausbruch der Corona-Pandemie entstanden. Manches hat sich geändert im Alltag des Hospiz am See, aber das meiste ist so geblieben wie beschrieben. Auch im Hospiz am See wird mit Schutzmasken gearbeitet und es werden die aktuellen Hygienebestimmungen eingehalten. Besuche sind weiterhin möglich, aber aktuell dürfen maximal 2 Personen aus dem engeren Familienkreis gleichzeitig auf Besuch kommen. Die Ehrenamtlichen sind nach der corona-bedingten Pause wieder im Dienst.

Frau Simon hat gut geschlafen. Es war ihre zweite Nacht im Hospiz am See. Erst vorgestern ist sie angekommen und doch fühlt sie sich schon richtig wohl in ihrem neuen Zuhause. Sie hat so gut geschlafen, dass sie die Pflegefachkraft gar nicht bemerkt hat, die mehrfach nach ihr geschaut hat. Wecker hat sie keinen gestellt, denn Frühstück gibt es dann, wenn ihr danach ist. Und jetzt hat sie Hunger! Es dauert nicht lange und das Frühstück steht auf ihrem Tisch. Eine der netten Schwestern hat es ihr vorbeigebracht und sich Zeit genommen für einen kleinen Schwatz. Sie hat sich nicht nur nach ihrem Befinden erkundigt, sondern sich für sie als Mensch interessiert. Auch im Hospiz ist sie eine Patientin, aber v.a. ist sie hier GAST!

Vor wenigen Tagen lag sie noch im Krankenhaus. Als ihr der behandelnde Arzt vorschlug, sie in das Hospiz zu überweisen, war sie sehr verunsichert. Geben sie mich jetzt ganz auf? Doch nach dem angenehmen Gespräch mit dem Arzt vom Hospiz, der bei ihr vorbeischaute, willigte sie ein. Und jetzt, nachdem sie angekommen ist in ihrem letzten Zuhause, ist sie sich ganz sicher, dass sie richtig entschieden hat. „Wir richten uns in allem ganz nach unseren Gästen. Ein Hospiz sei eher wie ein Zuhause als ein Krankenhaus“, wurde ihr gesagt. Das kann sie nun aus ihrer Erfahrung bestätigen. Eine heimelige Atmosphäre – großzügige Räume, liebevoll gestaltet – ein Einzelzimmer für alle Patient*innen mit Übernachtungsmöglichkeit für An- und Zugehörige – ein zentrales Wohnzimmer als Treffpunkt für Gäste, An- und Zugehörige und Personal – Essen, das gut schmeckt, und entsprechend den Wünschen der Gäste kombiniert und portioniert wird, das waren ihre ersten positiven Eindrücke. Und das Personal nimmt sich Zeit für sie, wenn ihr danach ist.

Das Personal: das sind zunächst einmal die Pflege-Mitarbeiter*innen und die Ärzt*innen. „Sie wissen, was ich brauche“, denkt sie, „damit ich mit meiner Erkrankung zurechtkomme und damit es mir besser geht. Das gibt mir Sicherheit! Ich fühle mich hier aufgehoben. Sie kennen sich alle aus mit so schwierigen Situationen wie der meinen.“ Auch die Sozialarbeiterin war gestern schon bei ihr. Erst war sie überrascht und dann doch froh, dass sie Fragen zu ihrer finanziellen Situation und den Konflikt mit ihrer Tochter ansprechen konnte. Damit fiel ihr ein Stein vom Herzen. Die Finanzierung ist geklärt. Den Selbstkostenbeitrag von €57,70 pro Tag kann sie gut selber tragen, weil sie ja das Pflegegeld weiterhin ausbezahlt bekommt. Außerdem hat ihr die Ärztin geraten, eine Erhöhung des Pflegegeldes zu beantragen. Die Sozialarbeiterin wird sie dabei unterstützen. Wäre sie knapper bei Kasse gewesen, hätte sie auch einen Antrag auf Reduzierung des Selbstkostenbeitrags stellen können.

Inzwischen ist es Mittag geworden. Frau Simon entscheidet sich, das Mittagessen im Wohnzimmer einzunehmen. Hier ist immer viel los: sie trifft auf andere Patient*innen im Hospiz, Mitarbeiter*innen und Angehörige. Das Essen in Gemeinschaft genießt sie. Sie hat wieder Appetit.

Besuch ist immer willkommen im Hospiz. Es gibt keine Besuchszeiten, wurde ihr gesagt. In der letzten Zeit hat sich ihr Bekanntenkreis leider sehr reduziert. Sie hofft, dass sie bald auch von ihrer Tochter Besuch bekommt. Die erste Begegnung nach dem Zerwürfnis würde zwar nicht einfach sein, aber hier hat sie ja Unterstützung für diesen bangen und doch hoffnungsvollen Moment.

Mit den Ehrenamtlichen hat sie bereits am ersten Tag Bekanntschaft gemacht und gleich einen Draht zu ihnen gefunden. Gestern hatte Martha Dienst. Sie hat sie im Rollstuhl an den Bodensee begleitet. Was für ein Gefühl! Und jetzt, nachdem sie sich kurz zur Ruhe gelegt hat, klopft der Zivildiener an die Tür. Er wird sie heute an den See begleiten. Die Seelsorgerin hat sich gestern vorgestellt und wird heute Nachmittag eine kleine Besinnung im Andachtsraum abhalten. Frau Simon wird hingehen. Sie freut sich schon drauf. Es ist ein wunderschöner Raum. Ach ja: morgen kommt die Musiktherapeutin, übermorgen die Physiotherapeutin. Es ist immer etwas los im Hospiz.

Frau Simon beobachtet, dass die vielen Personen, die sich im Hospiz um sie und die anderen Gäste kümmern, offensichtlich gut aufeinander abgestimmt sind. Die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen wird hochgehalten.

Im großen Wohnzimmer steht eine Kerze. Sie brennt heute. Das bedeutet, dass ein Gast verstorben ist, weiß Frau Simon. Das macht sie ein bisschen nachdenklich. Aber der Gedanke, dass diese Kerze einmal auch für sie brennen wird, tut ihr gut.  Frau Simon weiß, dass der Tag kommen wird, wo sie das Zimmer wahrscheinlich nicht mehr verlassen kann. Aber so lange es geht, will sie noch am Leben im Hospiz teilnehmen. Auch wenn sich ab und zu Schmerzen oder andere quälende Symptome zu Wort melden, hier ist sie gut aufgehoben und sie bekommt die Behandlung und Betreuung, die ihr Erleichterung verschafft. Jeder Tag ist kostbar.

Angelika Müller, Pflegeleiterin
DDr. Klaus Gasser, Ärztlicher Leiter
Dr. Karl W. Bitschnau, Administrativer Leiter Hospiz am See, Bregenz


Stationäre Hospize sind Teil des österreichischen Abgestuften Konzepts der Hospiz- und Palliativversorgung für Erwachsene. Je nach Standort kann es bei Hospiz- und Palliativeinrichtungen zu verschiedenen Ausprägungen in der Umsetzung kommen. Alle Stationären Hospize erfüllen die im Konzept vorgesehenen Aufgaben, manche, wie das Hospiz am See, bieten besonders viele Therapie-Möglichkeiten an.

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