Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Herzensangelegenheit – Pädiatrische Palliativbetten

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Als Kind mit einer angeborenen Behinderung hatte ich denkbar schlechte Erfahrungen mit der Medizin gemacht. Ich habe mich nicht wahrgenommen gefühlt. Medizinische Notwendigkeiten wurden über mich entschieden und meine Bedürfnisse als Kind kamen nicht vor. Als ich mit dem Medizinstudium begonnen habe, habe ich mir fest vorgenommen es einmal besser zu machen. Zu Beginn meiner ärztlichen Tätigkeit ist mir eine Sprachlosigkeit in der Medizin aufgefallen. Patient*innen für die keine kurative Medizin mehr möglich war, waren an der Klinik nicht mehr erwünscht, Betten standen nicht zur Verfügung und die aktive Auseinandersetzung mit den Familien wurde gemieden. Somit wurde für mich die Palliativmedizin, ohne es bewusst wahr genommen zu haben, eine Herzensangelegenheit.

Der Lauf der Dinge

2007 haben wir in Mödling mit dem Interdisziplinären Universitätslehrgang für Palliative Care in der Pädiatrie begonnen. 2011 hat die Gesundheit Österreich GmbH mich eingeladen in einem Expertenkomitee für Pädiatrische Palliativmedizin mitzuarbeiten. Ein Ergebnis dieses Komitees war, dass Pädiatrische Palliativbetten an den Abteilungen für Kinder- und Jugendheilkunde etabliert werden sollen.

Die Idee

Pädiatrische Palliativbetten in Mödling zu etablieren lag nahe. Die Voraussetzungen hierfür haben in mehrfacher Hinsicht gepasst. Wir hatten schon den Bereich Neuropädiatrie etabliert und gerade für diese Patient*innen war das Angebot an pädiatrischer Palliativmedizin nicht ausreichend vorhanden. Des Weiteren hatten schon mehrere Mitarbeiter*innen den Lehrgang für Palliative Care in der Pädiatrie erfolgreich absolviert. Da wir eine psychosomatische Station hatten, hatten wir alle Berufsgruppen, die für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig waren. Somit waren die Voraussetzungen optimal.

Die Umsetzung

2011 haben wir dann den Antrag auf Umwidmung von 3 Betten in Pädiatrische Palliativbetten gestellt. Die Umsetzung hat sich trotz aller optimalen Voraussetzungen recht schwierig gestaltet. 2012 wurde die Umwidmung bewilligt, 2013 wurde das entsprechende Personal genehmigt, dann musste das zusätzliche Personal gefunden werden. All das war ein schwieriger Prozess, aber 2014 konnten dann die Pädiatrischen Palliativbetten eröffnet werden.

Die tägliche Realität

Wenn Kinder Erkrankungen haben, die gemäß den IMPaCCT-Kriterien palliativ sind, dann haben sie Anspruch auf Belegungen dieser Palliativbetten. Die meisten Kinder kommen aus dem Bereich unserer neuropädiatrischen Ambulanz. Ein anderer Zugang findet über die Transferierung von Stationen anderer Abteilungen für Kinder- und Jugendheilkunde statt. Onkologische Patient*innen sind sehr selten, weil für diese die palliativen Bedürfnisse über weite Strecken gedeckt sind. Ein weiterer Weg der Zuweisung erfolgt über das Kinder- und Jugend-Palliativ-Team der Mobilen Kinderkrankenpflege, wenn es beispielsweise Probleme bei der Atmung, der Ernährung, der Epilepsie gibt. Dann versuchen wir diese Situationen zu verbessern. In diesem Fall werden die Kinder nicht so lange stationär behandelt, sondern kommen nach Stabilisierung dieser Krise (meist wenige Tage) wieder nach Hause.

Weitere mögliche Aufnahmegründe sind:

  • Aufnahmen zur geplanten Verbesserung oder Evaluierung der therapeutischen Maßnahmen in der palliativen Situation. Wenn beispielsweise die Ernährung, der Schmerzzustand, die Medikation, etc. überprüft gehört. Also wenn irgendeine palliativmedizinische Maßnahme überprüft, angepasst und evaluiert werden muss, um den Allgemeinzustand des Kindes zu verbessern.
  • Wenn es darum geht, die Eltern für die Zeit zu Hause einzuschulen, damit sie für die Betreuung ihres Kindes vorbereitet sind. In dieser Zeit liegen diese meist beatmeten Kinder auf den Palliativbetten und deren Eltern werden solange eingeschult, wie es für sie notwendig ist (auch mehrere Wochen). Die Eltern bestimmen, wenn sie so weit sind, nach Hause zu gehen. Die Einschulung und Vorbereitung für die Betreuung zu Hause ist durchaus ein Schwerpunkt dieser Station.
  • Und der letzte Aufnahmegrund ist, wenn Eltern von der palliativen Betreuungssituation eine Auszeit (z.B. aus Erschöpfung) benötigen. In diesem Fall bespricht man mit den Eltern eine Aufnahme auf bestimmte Zeit (1-2 Wochen) zu Entlastung.
  • Wir versuchen auch immer ein Palliativbett für akute Krisensituationen frei zu haben. Die beiden anderen sind meist als „geplante Betten“ belegt.

Das wichtigste ist jedoch eine palliative Grundhaltung. Medizin ist nicht nur die Ausführung von Guidelines. Diese müssen immer im Hinterkopf behalten werden, aber in erster Linie ist es die Auseinandersetzung mit dem Kind und der Familie, was diese brauchen und was für diese stimmig ist. Eltern wollen immer das Beste für das Kind, und was das Beste ist, sollte gemeinsam besprochen werden, damit alle Beteiligten dasselbe darunter verstehen.

Mir fällt abschließend noch ein Beispiel ein: Einmal wurde eine Mutter mit eineiigen Zwillingen aufgenommen, wovon eines innerhalb kürzester Zeit starb. Die Mutter brauchte daraufhin ein Jahr, das andere Kind mit nach Hause zu nehmen. Mir war es damals wichtig allen zu vermitteln, dass „wir uns das gefallen lassen, denn die Mutter wird uns sagen, wenn sie so weit ist“. Und dies ist dann auch nach einem Jahr eingetreten und die Mutter hat ihr Kind noch viele Jahre zu Hause betreut.

Dr. Erwin Hauser, Leiter Abteilung Kinder- und Jugendheilkunde Mödling, FA für Kinder- und Jugendheilkunde, Leitungsteam ULG Pädiatrische Palliative Care, FA für Kinder- und Jugendpsychotherapie, Psychotherapeut“

Fotocredit: istockphoto/cnxsattra


Aktuell gibt es in Österreich insgesamt 8 Pädiatrische Palliativbetten an den Stationen für Kinder- und Jugendheilkunde: 1 Bett im KH Oberwart, 2 Betten am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, 3 Betten an der LK Mödling und 2 Betten an der Uniklinik Innsbruck. Pädiatrische Palliativbetten sind Teil des österreichischen Abgestuften Konzepts der Hospiz- und Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und ihre Familien.

Die Empfehlungen des Dachverbandes Hospiz Österreich zur Umsetzung des Konzepts finden Sie hier.