Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Genussvoll essen ohne schlechtem Gewissen

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Ich lese von Katharina Kühtreiber zum ersten Mal in einem Monatsmagazin. Aufhorchen lässt mich ihre These, dass unsere Ernährungsgewohnheiten von Kindheit an durch Vorbilder oder durch fragwürdige Glaubenssätze (z.B. „nach 18 Uhr essen macht dick!“) geprägt werden.

Im Rahmen des Jahresthemas „Gut für sich und andere sorgen“ liegt es daher auf der Hand, uns auch des Themas „Ernährung und Essen“ in herausfordernden Situationen anzunehmen – ganz im Sinne von „Leicht verdauliche Kost bei schwerverdaulichen Gefühlen im Dienst“.

Ich treffe Katharina Kühtreiber zum Gespräch:

Frau H. kam zu mir, da sie einerseits von wiederkehrenden Heißhungerattacken berichtete, andererseits oft wenig Energie im Alltag hatte, „obwohl ich doch eh so viel nasche“.

Durch einen genaueren Blick auf ihren Essalltag und ihre Mahlzeiten stellte sich heraus, dass sie das Frühstück oft ausfallen ließ, beim Mittagessen ganz wenige Kohlenhydrate aß und sich dann mit Linsen-Waffeln über das Nachmittagstief rettete, um schließlich zu Hause energielos auf der Couch zu landen, nachdem sie am Heimweg den köstlichen Mehlspeisen beim Bäcker vor der U-Bahn-Station nicht widerstehen konnte.

Beim Abendessen konnte sie sich dann meist auch noch „beherrschen“, um dann später über die Naschlade oder Knabberecke herzufallen.

Ihr Körper holte sich so, was er tagsüber nicht bekam: Energie & Nährstoffe. Denn durch das Weglassen ganzer Mahlzeiten oder Nährstoffgruppen (hier vor allem der Kohlenhydrate) fehlte ihr der wertvolle Treibstoff für den Körper, um leistungsfähig zu sein.

Nachdem Frau H. gleich nach unserem 1. Termin begonnen hatte, wieder mehr auf regelmäßige, ausgewogene & sättigende Mahlzeiten aus Kohlenhydraten, Eiweiß & Gemüse zu achten, stellte sie bereits nach wenigen Tagen fest, dass sie nach dem Arbeitstag beim Heimkommen wieder mehr Energie hatte. Ganz nebenbei reduzierten sich auch die Heißhungerattacken, da ihr Körper gut versorgt war. Eine Win-Win-Situation für Körper & Wohlbefinden von Frau H., die dadurch auch das schlechte Gewissen rund ums Essen Stück für Stück ablegen konnte.

Frau Kühtreiber, gutes, „nährendes“ Essen ist in aller Munde. Weshalb ist dies so wichtig für unseren Köper und unsere Seele?

Ernährung und Essen sind nicht nur etwas sehr Persönliches, sondern auch Soziales, Kulturelles und oftmals auch Emotionales. Wie würde Essen ohne Emotionen wie Freude, Lust oder Genuss aussehen? Es ist wichtig, auf das Wunderwerk Körper zu achten, besonders in herausfordernden Situationen.

Stellen wir uns den Körper als Batterie vor, die immer wieder aufgeladen werden muss. Um diese Batterie zu laden, brauchen wir ein Ladegerät, entsprechende Stromversorgung – und Zeit…

…Sonst ist die Batterie nur halb geladen

 Genau! Die Batterie benötigt wahrscheinlich einige Stunden, um wieder voll aufgeladen und einsatzbereit zu sein.

Wenn wir dieses Beispiel auf unsere Essgewohnheiten und unseren Körper übertragen, so passiert es immer wieder – gerade in Situationen, in denen wir unter Druck und gestresst sind – dass wir uns keine Zeit nehmen, um zu essen. Wir schlingen dann schnell einen, zwei, drei, fünf Schokoriegel runter, trinken einen Energydrink oder den zehnten Kaffee, um einen schnellen Zuckerkick zu bekommen. Analog zu unserem Batteriebeispiel ist es dann aber so, dass wir uns maximal halb aufladen. Eine Folge kann dann sein, dass wir zu wenig Energie oder Nährstoffe aufnehmen, dadurch Heißhungerattacken erleben, diese wiederum schlechtes Gewissen bewirken, welches uns weiter unter Druck setzt, sodass wir unsere Handlungen hinterfragen, was eine weitere Stressreaktion im Körper auslöst, die wieder zu Heißhungerattacken führen kann. Oft wissen wir gar nicht mehr, wann, ob, was und wie viel wir gegessen haben.

Bedeutet das, dass Schokolade schlecht ist? Ich finde es manchmal wirklich sehr fein, Schokolade zu essen – manchmal auch viel Schokolade zu genießen 😊

Nein, Schokolade ist überhaupt nicht schlecht! Es geht genau darum – zu genießen, sich Zeit zu nehmen, wahrzunehmen, was ich esse, den eigenen Körper gut mit ausreichend Energie und Nährstoffen zu versorgen und sich etwas Gutes zu tun.

Frau Kühtreiber, Sie schreiben immer wieder, dass das bewusste Essen und der bewusste Umgang mit Ernährung bei Kindern schon da sind, ihnen dann jedoch oft „abtrainiert“ werden.

 Richtig, wir alle kommen als „intuitive Esser“ auf die Welt. Jedoch werden Kinder oft mit Essen, meist Süßem oder Fast Food, „ruhig gestellt“ oder Essen wird als Belohnung für „korrektes“ Verhalten oder auch als Trost nach einer Verletzung eingesetzt. Also, „weil Du so brav warst und so viel geleistet hast, bekommst Du jetzt etwas Süßes als Zuwendung“. Die Folge ist, dass dieser Mechanismus internalisiert wird, und Essen – bewusst oder unbewusst – als Belohnung gesehen wird. Als Erwachsene glauben wir dann oft, uns dann nach einem stressigen Tag „belohnen“ zu müssen.

Oder wir lernen als Kinder, dass Essen Beziehung und Nähe ersetzt oder uns tröstet. Wir lernen vielleicht, dass wir Dinge nur aushalten, wenn wir sie „runterschlucken“ bzw. unangenehme Gefühle durch Essen abschwächen.

.. Und das kann dann dazu führen, dass wir uns als Erwachsene ebenso beruhigen und belohnen?

 So ist es und das ist natürlich fatal. Denn gerade Menschen in Gesundheitsberufen sind sehr häufig mit emotionalen und herausfordernden Situationen konfrontiert…

Und mit Stress und Heißhungerattacken…

Ja! Ich bespreche mit meinen KlientInnen häufig solche Situationen und wir versuchen herauszuarbeiten, welche Emotionen, Gedanken und Wünsche eigentlich mit dem körperlichen Hunger nach Energie oder Nährstoffen verarbeitet werden sollten. Vielleicht Traurigkeit oder Wut? Wenn man sich mit seinem Essverhalten beschäftigt, ist es sehr wichtig, sich bewusst mit seinen Gefühlen und seinem (Arbeits-)Leben auseinanderzusetzen. Nur dann kann der Körper als wertvolle Ressource, die es zu erhalten, zu ernähren, zu pflegen und aufzuladen gilt, wahrgenommen werden.

Katharina Kühtreiber, danke für dieses Gespräch!

Katharina Kühtreiber, BSc.
Diätologin & Mentaltrainerin in eigener Praxis, Autorin und Bloggerin www.femalefoodfreedom.at

Bild: Pexels