Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Der Seele mehr Raum geben…..

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Erfahrung in der Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleitung

Der Beginn der Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleitung bei der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft war für mich persönlich ein aufregender Schritt. – Das Ende und das Geschenk der Ausbildung ist das seelische und emotionale Rüstzeug für die Begleitung von schwerkranken Menschen, das Wissen um den eigenen Tiefgang, das Kennen und gut wertschätzende Aushalten von Ruhe, das ganze Sein im Hier und Jetzt und das IN DER ZEIT leben.

Wir waren eine bunt gemischte Gruppe von vielen Frauen und einigen Männern, 18 an der Zahl, die sich an einem ziemlich kalten und winterlichen Apriltag an einem spirituellen Kraftort im Tiroler Oberland versammelt haben. Der erste Teil der Ausbildung ist zum Ankommen in der Gruppe, zum Innehalten und zum wertschätzenden Kennenlernen der KollegInnen auf zwei Tage mit Übernachtung anberaumt. Die Zeit haben wir dringend gebraucht, auch die folgenden Kurseinheiten sind fast zu schnell vergangen (das gemeinsame Mittagessen ist auch ein unverzichtbarer Bestandteil geworden!). Wir waren aus verschiedenen Altersgruppen. Ein besonders netter Umstand in unserer Gruppe war, dass eine junge Kollegin in diesen Monaten ein Baby erwartet hat. Was mich bei dieser Ausbildung besonders freut und ich intensiv als Geschenk empfinde: neue tiefe und besondere Freundschaften schließen zu können.

Der fachliche Teil der Ausbildung ist sehr breit aufgestellt, sehr interessant sind die theoretischen Teile: medizinische und ethische Aspekte, Begleitung von dementen Menschen, rechtliche Aspekte am Lebensende bis hin zur Reflexion über den eigenen Lebensweg, die eigene Haltung zum Leben und Sterben und Stärken und Schwächen. Die Ausbildung ist einerseits seelisch und körperlich fordernd, andererseits beglückend auf dem Weg zu den eigenen inneren Haltungen und Gefühlen. Wir hatten auch das Glück einer offenen, sehr engagierten und stark in sich ruhenden Kursbegleitung, wir wurden wie eine Herde immer wieder umkreist und zusammengehalten.

In der Ausbildung überwindet man eigene Grenzen im Kopf und im Zugehen auf andere Menschen. Wir haben gelernt und erfahren, dass gute Begleitung und unterstützende Begegnung mit anderen Menschen nur gelingen kann, wenn wir uns selbst kennen, selbst reflektieren und auch eigene Grenzen suchen, ansprechen und das Erweitern der Grenzen zulassen. Dies kann dir niemand abnehmen.

Die theoretischen Ausbildungsteile konnte ich sehr schnell auch im privaten und beruflichen Umfeld einsetzen. Diese oft unbewusste Aktion und Reaktion mit den Menschen im Umfeld haben auch alle anderen KollegInnen aus ihrem beruflichen und familiären Umfeld rückgemeldet. Erstaunlich und berührend!

Ich absolvierte meine beiden Praktikumswochen in Wien auf einer Palliativstation. Dort begegnete mir alles, was ich in der Ausbildung theoretisch erfahren durfte. Die körperlichen und medizinischen Bereiche, die vielfältigen Interaktionen in den Familiensystemen, das Umgehen der BewohnerInnen mit ihrer Krankheit, das Zusammenspiel der verschiedenen Professionen und die besondere Atmosphäre einer Station, die sich der palliativen Betreuung widmet.

In bleibender Erinnerung bleibt mir besonders ein Satz einer Patientin auf der Station, mit der ich als Ehrenamtliche auch viel Zeit im schönen Garten verbringen konnte. Sie hat sinngemäß gemeint, dass ich hier, wenn wir im Garten in der Sonne sitzen, „ja nichts tun könne“ und sie mir dadurch „die Zeit nehme“. Ich konnte ihr innerlich überzeugt antworten, dass es in der ehrenamtlichen Begleitung genau auch um das geht: sich Zeit nehmen, das „Nichtstun“ gemeinsam aushalten und wertschätzend im Hier und Jetzt sein. Diese Momente und Stunden waren punktgenau das, was viele in der Ausbildung erst lernen und annehmen müssen: dass das „Nichtstun“, das „Nichtbeschäftigtsein“ das ist, was gerade auch im Ehrenamt zentral sein sollte.

Wenn ich das halbe Jahr der Ausbildung und das Ziel der Ausbildung in wenigen Worten zusammenfassen müsste, würde ich sagen: „Wir haben gelernt, der Seele mehr Raum zu geben.“ Ich bin unendlich dankbar und denke mit Wärme im Herzen zurück an den Tag, an dem ich die Zusage für die Ausbildung zur Ehrenamtlichen Hospizbegleitung erhalten habe. Und ich würde vielen Menschen wünschen, dass sie diesen Schritt wagen und sich auf den gemeinsamen Weg machen, um auch ihrer eigenen Seele mehr Raum zu geben.

Christine Oppitz-Plörer, ehrenamtliche Hospizbegleiterin der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft


Die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft organisiert eine am Curriculum von Hospiz Österreich orientierte Ausbildung für all jene Menschen, die sich ehrenamtlich in der Hospiz-Gemeinschaft engagieren möchten. Jedes Jahr werden 2 Kurse für jeweils 18 Personen angeboten. Die Ausbildung umfasst 9 Module an Freitagnachmittagen und Samstagen und erstreckt sich über ein halbes Jahr. In diesem Zeitraum ist auch ein 80-stündiges Praktikum zu absolvieren.

Sie haben Interesse an einem Befähigungskurs in Lebens-, Sterbe und Trauerbegleitung in Ihrer Nähe? Wenden Sie sich bitte an die zuständige(n) Stelle(n) in Ihrem Bundesland: https://www.hospiz.at/fachwelt/bildung/befaehigungskurse-fuer-ehrenamtliche/

Foto: Copyright Tiroler Hospiz-Gemeinschaft