Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Bericht über ein Leben mit dem Alzheimer

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Entstehungsgeschichte … so schlich „er“ sich ein … so gehen wir damit um …

Meine Frau Gabriele war als Bibliothekarin in der Nationalbibliothek bis zum Jahr 2011 tätig und ging mit 61 Jahren in Pension. Wobei ihr, aufgrund verschiedener Auffälligkeiten – so war z.B. das Arbeiten am Computer nicht mehr möglich – im letzten Jahr ein einfacherer Arbeitsplatz zugeteilt wurde. Mir fielen ihre Probleme beim Bilderdeuten, Uhrzeitablesen, etc. … schon zwei Jahre davor auf.
Mein Bemühen, eine neurologische Untersuchung vornehmen zu lassen, misslang.
So „wurschtelten“ wir – ich ahnend, sie nichts wissen wollend – bis 2012 herum.
Für unsere Beziehung war das keine angenehme Zeit.
Dann gelang es mir aber doch, gemeinsam einen Neurologen aufzusuchen … Diagnose: Alzheimer.
Für meine Frau ein Schock, für mich eine traurige Bestätigung meiner Vorahnungen.
Wir gingen auf ein Bier, ich nahm sie in den Arm und sagte: „Gabriele, es wird sich zwischen uns nichts ändern, wir werden streiten wie bisher, und wir werden lachen wie bisher … und diesen „unguten“ Alzheimer müssen wir „einfach“ akzeptieren“.
Die Tatsache ist, dass wir seither viel, viel mehr lachen als streiten.
Ihre damalige Verfassung war, dass sie kaum mehr lesen konnte, Zeitbegriff und Orientierung ließen immer mehr nach. Sie ging dann einige Jahre wöchentlich in psychologische Betreuung mit Gedächtnistraining.
Jedoch die Orientierungs- und Wahrnehmungsfähigkeiten wurden immer schwächer, sodass sie, nach mehreren Verirrungen in der Stadt, nicht mehr alleine unterwegs sein konnte. Was tun?…
Da ich beruflich noch tätig bin, war es notwendig, außerfamiliäre Hilfe zu suchen.
Wir, unsere Tochter und unser Sohn haben dann verschiedene Tageszentren aufgesucht … auserwählt wurde dann das Tageszentrum in der Oberzellergasse. Seit Februar 2017 ist meine Frau dort täglich von 9:00 bis 15:00 Gast. Sie fühlt sich dort sehr wohl, und auch ich bin sehr angetan von den Aktionen, die dort geboten werden und dem liebe- und humorvollen Umgang der Pflegerinnen und Pfleger. Humor ist ein ganz wichtiges Element zwischen meiner Frau und mir.
Die Krankheit meiner Frau ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass sie alleine nichts mehr erledigen kann – sie ist einfach Tag und Nacht auf uns angewiesen. Durch die teilweise Mithilfe unserer Kinder, den Tageszentrumsaufenthalt und samstagnachmittägliche Alltagsbetreuung gelingt es uns großteils, diesem – alles andere als einfachen Leben – in humorvoller Art und Weise noch einen Sinn abzugewinnen. Ich hoffe, dass meine „Kraft“ noch einige Zeit hält, um die positive Stimmung zwischen uns weiter hochzuhalten und nicht daran zu verzweifeln.

Ein zeremonieller Alltag bei den Donners:

  • 6:00 Uhr steh ich auf, frühstücke, dusche, richte das Frühstück für meine Frau.
  • 6:45 Uhr weck ich meine Frau, Tabletteneinnahme, Mithilfe bei der Einnahme des Frühstücks, Mithilfe bei der Körperpflege, dann geht’s ans Anziehen. Mittlerweile bin ich schon Profi in puncto „was ziehen wir heute an“. Anfänglich, speziell in Übergangszeiten, beobachtete ich immer auf der Straße „was trägt Frau heute“.
  • 8:15 Uhr wähle ich die Nummer ihrer Mutter in Innsbruck, mit der sie jeden Tag spricht. Ich erledige noch das Geschirr und sonstige Hausarbeit.
  • 8:45 Uhr geht es in Richtung Tageszentrum. Danach fahr ich in mein Atelier …
  • 15:00 Uhr hol ich meine Frau vom Tageszentrum ab, sie ist dann immer sehr positiv und lustig drauf. Gemeinsam geht’s dann wieder ins Atelier, wo ich ihr aus dem Internet alles Mögliche an Musik präsentiere … Musik hat bei uns immer eine große Rolle gespielt und sie ist noch immer sehr wichtig in unserer Familie.
  • 18:00 Uhr verlassen wir das Atelier und suchen eines unserer Stammlokale auf, wo wir dann immer in Bekanntenkreisen den Abend verbringen … wichtig auch für Gabriele und mich, sich nicht zurückzuziehen, sondern hinaus unter die Leute, auch mit diesem Alzheimer kann‘s lustig sein.
    Zu Hause noch Radio hören, Fernsehen bringt nichts – Wahrnehmungsprobleme – Musikhören und Hörbücher funktionieren noch recht gut.
  • 22:00 Uhr Mithilfe bei der Abendtoilette und zu Bett bringen und hoffen auf eine ruhige Nacht … nicht immer.
    Auch mich überkommt dann öfters zu nächtlicher Stunde eine große Traurigkeit, Tränen fließen … aber geflossene Tränen können auch eine große Hilfe sein, bei mir zumindest.

Hauptberuflich bin ich also nun Pfleger meiner Frau, bin aber froh, durch die Mithilfe der Kinder und durch den vergnüglichen Aufenthalt meiner Frau im Tageszentrum meinen Architektenberuf in reduzierter Art auch noch ausüben zu können, das bringt mich ein wenig weg und gibt mir zusätzlich Kraft … mein Atelier, meine Psychiatrie.
Auf diese Art können wir die 24Stundenpflege noch selbst bewältigen. Schauen wir, wie lange noch …

Mag. Arch. Peter Donner Wien, 06.09.2019

13. September 2019 Tag der pflegenden Angehörigen