Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Abseits jeder Absicht

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Ich treffe Claudia Fupun zum Gespräch über ihre Arbeit oder, wie sie diese bezeichnet, „meine Berufung“, – wieder ist es ein Gespräch am Telefon. „In Zeiten wie diesen“ aber mittlerweile ein Stück weit normal und auch nicht ganz so unangenehm, da die eigenen vier Wände nicht verlassen werden müssen.

Und trotzdem – würde ich Claudia Fupun nicht bereits kennen, würde ich die persönliche Begegnung mit einer außergewöhnlichen Frau verpassen.

Claudia Fupun arbeitet als Diplomierte Krankenpflegerin in einem mobilen Palliativteam in Wien, sie begleitet Menschen zu Hause und ist auch für Erstkontakte und Beratung zuständig.

Ihre ersten Schritte im palliativen Umfeld hat sie vor vielen Jahren auf der Palliativstation des Krankenhauses Göttlicher Heiland gemacht.  Auf meine Frage, wie sie „gut für sich und andere sorgt“ erzählt sie mir:

„Weißt Du, für mich hat es ganz viel mit meiner Grundhaltung zu tun. Ich begleite und übernehme ihr Leid nicht – ich traue den Menschen zu, dass sie ihr Leid aushalten und jeweils auf ihre eigene Weise damit umgehen, wie auch immer die aussieht. Ich gehe mit und schaue, wo der Mensch steht. Und dann gehen wir gemeinsam, aber ich gebe nicht die Richtung vor.“

Das klingt sehr reflektiert und erfahren.

„Ja“, sagt Claudia Fupun „das hat viel mit Erfahrung und Wissen zu tun. Mein frisch diplomiertes Ich war da ganz anders. Damals habe ich mich gefragt: Was ist besser, was richtiger? Wo wollen wir hin? Das Ziel war mir so wichtig und gleichzeitig konnte ich den Weg oft nicht so gut annehmen und aushalten. Ich konnte mich nicht wirklich berühren lassen, ich konnte oft nicht hinschauen – ich musste rausgehen, aus Situationen und Räumen.

Das ist jetzt anders. Jetzt ist mir der Weg so wichtig, das berührt Werden. Heute weiß ich, dass das „wohin Wollen“ mich davon abhält zu sehen, wo ich gerade bin, wo ich gerade stehe.“

Ob es bei alledem nichts gibt, was sie belastet oder was sie nach Dienstschluss mit nach Hause nimmt, möchte ich wissen.

„Nun, früher, am Anfang musste ich mich aktiv abgrenzen. Ich hatte das Gefühl, die Arbeit hinter mir lassen zu müssen. Mittlerweile habe ich dieses Gefühl nicht mehr. Das hat viel damit zu tun, dass ich weiß, dass ich in meiner Rolle und Funktion wichtig bin, aber nicht für alles verantwortlich. Ich habe das Zutrauen in meine Kolleg*innen, dass sie die Menschen gut begleiten, wenn ich nicht im Dienst bin. Gleichzeitig spüre und weiß ich mittlerweile, was ich brauche und wann ich innehalten muss. Ich gebe mir den Raum, um nachzuspüren und bei mir zu sein. Das halte ich für so wichtig – wir müssen uns mit uns selbst befassen. Nur, wenn wir wissen und spüren, was wir brauchen, können wir andere Menschen auf ihren Wegen unterstützen.

Das zu erkennen ist, denke ich, sehr wichtig, um gut für uns selbst zu sorgen.“

Ich frage, wie wichtig Supervision und Teamarbeit für sie, gerade im Bereich der Mobilen Palliativversorgung, ist.

„Es ist ein Mix aus Supervision und Teamarbeit, der bereichernd und wichtig ist. Es ist wichtig für mich, bei den Kolleg*innen nachzufragen, ´Wie geht’s Dir mit dieser oder jener Situation?´. Oder zu erfragen, wie andere in unterschiedlichen Situationen agieren und welche Ideen sie haben. Und auch das gemeinsame Überlegen bei herausfordernden Begleitungen, gemeinsam zu schauen: Was brauchen die Betroffenen? Was brauchen die Angehörigen? Welche Möglichkeiten und Angebote gibt es?

Diese Begegnung mit den anderen ist wichtig, um das Gefühl zu stärken, dass wir alle an einem Strang ziehen und nicht allein sind.“

Abschließend möchte ich wissen, was Claudia berührt. Sie erzählt:

„Berührend finde ich vieles – aber eben nicht so, dass es mich traurig macht oder mich nicht mehr loslässt. Ich würde sagen, ich schwinge mit in den tiefen zwischenmenschlichen Begegnungen. Das berührt mich positiv. Alles entsteht in der Begegnung mit und zwischen Menschen.“

Mag.a Claudia Fupun arbeitet als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin beim Mobilen Palliativteam der Caritas der Erzdiözese Wien. Sie absolvierte das Studium der Politikwissenschaft, ist universitäre Palliative Care Expertin, lehrt Palliative Care in der Ausbildung für Pflegefachassistent*innen und Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen und ist Multiplikatorin für HPCPH.

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