Am 15. Oktober 2024 fand anlässlich des World Hospice an Palliative Care Day am 12.10.2024 ein Roundtable unter dem Titel „Vorsorge ist kein Luxus: Handlungsempfehlungen für alle Lebenslagen“ in der ERSTE Stiftung am Erste Campus in Wien statt. Veranstaltet im Rahmen der Kooperation von Erste Bank und HOSPIZ ÖSTERREICH, brachte das hochkarätige Event von 14:00 bis 17:00 Uhr eine breite Palette von Expert:innen zusammen, die sich mit verschiedenen Aspekten der Vorsorge auseinandersetzten.
Am Podium sprachen
- Thomas Wienerroither, klinischer Psychologe mit Schwerpunkt Palliativpsychologie
- Sonja Thalinger, Geschäftsführerin von HOSPIZ ÖSTERREICH
- Gerda Holzinger-Burgstaller, CEO der Erste Bank Österreich und Gastgeberin der Veranstaltung
- Elisabeth Kahler, Notarin
moderiert wurde das Gespräch von Carmencita Nader, Vorstandsmitglied der Zweite Sparkasse.
Themenschwerpunkte und Diskussionen
Der Roundtable beleuchtete aus unterschiedlichen Perspektiven die Bedeutung der Vorsorge in verschiedenen Lebensphasen.
Der klinische Psychologe Thomas Wienerroither eröffnete mit einem eindrucksvollen Impulsvortrag, in dem er auf die psychologischen Mechanismen der Verdrängung und das Stereotyp des „schönen Todes“ einging. Natürlich bedeutet Vorsorge auch die Antizipation einer bedrohlichen Zukunft. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Vorsorge wächst oft mit dem Alter und der Lebenserfahrung. Die Frage sei aber: „Führt emotionale Betroffenheit zu Vernunft oder Verleugnung?“ Zumal Verdrängung ein wichtiger Schutzmechanismus sei. Er wies darauf hin, dass viele Menschen sich einen sanften und friedlichen Tod wünschen, während sie zugleich keine konkreten Vorkehrungen treffen, um unerwünschte Szenarien, wie beispielsweise langfristige medizinische Behandlung ohne Aussicht auf Heilung, zu verhindern. Er betonte: „Wenn Sie nicht wollen, dass Ihnen das widerfährt, müssen Sie vorsorgen.“ Und er fügte hinzu: „Vorsorge bedeutet auch Fürsorge. Wenn Sie sich auf Ihre Zukunft vorbereiten, vermeiden Sie, dass andere in schwierige Entscheidungssituationen kommen, weil ihnen Ihr Wille nicht klar ist.“
Sonja Thalinger lenkte die Diskussion auf die strukturellen Herausforderungen im Hospizwesen. „Das Ziel ist, Menschen zu befähigen, hinzuschauen und aktiv zu werden, um eine gute Lebensqualität bis zum Ende zu gewährleisten.“ Sie hob hervor, dass trotz der gesellschaftlichen Tendenz, das Thema Tod zu vermeiden, die Auseinandersetzung mit der Vorsorge über eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht oder den VSD Vorsorgedialog® unerlässlich sei. „Vorsorge ist nicht das erste Thema, über das man sich gern unterhält, aber alle wissen, irgendwann betrifft es jeden.“ Der VSD Vorsorgedialog® als Instrument der vorausschauenden Planung wird besonders in Pflegeeinrichtungen einsetzt, um frühzeitig für Krisensituationen vorsorgen zu können. Seine Entwicklung war die Konsequenz aus einem Projekt, das Hospiz und Palliative Care in Alten- und Pflegeheime bringen sollte. Man brauchte ein Szenario für Krisensituationen, damit absehbares Versterben im Pflegeheim nicht zu einer Krise führt. Im Unterschied zur Patientenverfügung, in der vor allem festgelegt wird, was jemand nicht will, geht es im Vorsorgedialog darum, was eine Person für sich möchte. Der Vorsorgedialog ist jederzeit veränderbar und auch Menschen mit Demenz können das Instrument nutzen. „Vorsorge bedeutet, dass man nicht nur für sich selbst sorgt, sondern auch für andere“, sagte sie besonders im Hinblick auch auf pflegende Angehörige. „Wir planen so vieles“, meint Thalinger, „Reisen, Familienfeste, Anschaffungen…warum sprechen wir dann nicht über die Krankheit der Oma und ihre Wünsche für das Lebensende?“
„Ich bin 205 Jahre alt und unser Gründungszweck ist aktueller denn je“, begann Gerda Holzinger-Burgstaller ihren Input aus Sicht der Erste Bank. Sie thematisierte die Bedeutung der finanziellen Vorsorge und die Verantwortung der Banken, Kund:innen in diesem Bereich proaktiv zu unterstützen. „Der beste Zeitpunkt, mit finanzieller Vorsorge zu beginnen, war gestern. Der zweitbeste ist heute.“ Um sich gegen spätere Risiken abzusichern, sei es sehr wichtig, bereits frühzeitig mit der finanziellen Planung zu beginnen. Vorsorge sei so gut wie immer möglich, auch mit geringen Ressourcen. Besonders interessant war ihre Ableitung vom Gender-Care-Gap zum Gender-Pay-Gap und dem daraus resultierenden Gender-Pension-Gap. „Altersarmut ist weiblich – und deshalb ist es gerade für Frauen wichtig, frühzeitig finanzielle Vorsorge zu betreiben.“, so Holzinger-Burgstaller. Man müsse den Menschen auch beim Thema Vorsorge den Zinseszins erklären. Je früher man Vorsorge im Kontext von Finanzen thematisiere, dazu gehören auch die Themen Erben und Vererben, desto sachlicher könne man darüber reden. Die Menschen müssten sich um ihre finanzielle wie um ihre körperliche Gesundheit kümmern. „Wir müssen von dem Bild wegkommen, dass Vorsorge ein Thema für Pessimisten ist. Es ist eine Investition in die eigene Zukunft und in die Sicherheit der Familie.“
„Eine Vorsorgevollmacht ist ein großer Vertrauensbeweis. Sie zeigt, dass ich jemanden habe, dem ich vollkommen vertraue, meine Angelegenheiten zu regeln, wenn ich es nicht mehr kann“, meinte Elisabeth Kahler, die als Notarin praxisnahe Einblicke in juristische Aspekte der Vorsorge wie die Erstellung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht gab. Sie betonte, dass rechtzeitige juristische Beratung ein wichtiger Schritt sei, um die eigene Zukunft zu sichern. Der Sorge vieler Menschen vor hohen Kosten setzte sie entgegen, dass Erstberatungstermine oft kostenlos angeboten werden. „Vorsorge ist nicht nur ein Ausdruck von Angst, sondern auch von Verantwortungsbewusstsein gegenüber sich selbst und anderen.“
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum meldeten sich mehrere Teilnehmer:innen zu Wort. Zum gesellschaftlichen Umgang mit Pflegearbeit, insbesondere im familiären Kontext, wurde betont, dass Frauen oft die Hauptlast in der Pflege übernehmen und dabei ihre eigene Vorsorge vernachlässigen.
Ein weiteres Thema war die Frage, wie Unternehmen und Institutionen die Vorsorge ihrer Mitarbeiter:innen unterstützen können. Hier wurde betont, dass es nicht nur um finanzielle Aspekte geht, sondern auch um die psychische Gesundheit, die durch präventive Maßnahmen wie Stressmanagement und Unterstützung bei familiären Belastungen gefördert werden kann.
„Zentraler Teil der Vorsorge sind die Kinder“, sagte Marianne Buchegger von der Caritas Socialis, „die demografische Entwicklung werden wir nicht mit Fachpersonal bewältigen. Wir müssen, um Compassionate Communities und Caring Communities aufzubauen, mit dem Thema in Kindergärten und Schulen gehen (z.B. mit Projekten wie ‚Hospiz macht Schule‘, Letzte-Hilfe-Kurse, etc.). Sobald Begegnung stattfindet, schwindet die Angst. Es geht um Literacy: Health Literacy, Financial Literacy, Death Literacy.”
Fazit
Der Roundtable „Vorsorge ist kein Luxus: Handlungsempfehlungen für alle Lebenslagen“ zeigte eindrucksvoll, wie vielschichtig das Thema Vorsorge und wie wichtig es ist, in unterschiedlichen Bereichen wie Finanzen, Gesundheit und rechtlicher Absicherung frühzeitig zu handeln. Die Expert:innen waren sich einig, dass es in der Gesellschaft nach wie vor große Informationslücken gibt, die geschlossen werden müssen, um eine ganzheitliche und nachhaltige Vorsorge für alle zu gewährleisten.
Die Veranstaltung betonte die Notwendigkeit eines offeneren Diskurses über Vorsorge, der auch Stereotype und Tabus hinterfragt und Menschen ermutigt, sich mit ihren Zukunftsängsten auseinanderzusetzen, um ein selbstbestimmtes Leben bis zum Lebensende zu ermöglichen.