Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Die „Dreifaltigkeit“ der Hospiz- und Palliativversorgung! Haltung – Wissen – Fertigkeiten

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Ein Palliativmediziner und Theologe aus Graz (vielleicht wissen Sie, liebe:r Leser:in, wer es ist) hat in einem Vortrag einen etwas weltlicheren Vergleich gebracht. Es ging darum, auf welchen Beinen die hospizliche und palliative Begleitung stehen muss, damit wir hilfreiche Helfer:innen sind.
Er zeichnete das Bild eines dreibeinigen Biertisches. Ein Bein symbolisiert das Wissen. Wir alle brauchen qualitativ hochwertiges und aktuelles Wissen, um gute Begleiter:innen sein zu können. Das zweite Bein steht für Fertigkeiten oder Skills, also für die Fähigkeiten und Techniken, die wir einsetzen können müssen. Und das dritte Bein symbolisiert die Haltung, die wir sterbenden Menschen und ihren An- und Zugehörigen gegenüber wie auch dem Leben und dem Lebensende generell gegenüber haben.
Diese drei Beine des Tisches müssen gleich stark ausgeprägt sein, meinte er, um die bestmögliche Begleitung bieten zu können (und damit das Bier nicht zu Boden fällt).

Der Blog von HOSPIZ ÖSTERREICH steht bzw. stand in diesem Jahr unter dem Thema Innovationen und wichtige Perspektiven für die Hospiz- und Palliativversorgung. In diesem letzten Blogbeitrag des Jahres (und ja, es geht 2024 mit einem spannenden neuen Thema weiter!) laden wir Sie ein, sich noch einmal mit den Erzählungen und Erfahrungen, die unsere diesjährigen Gesprächspartner:innen und Autor:innen mit uns geteilt haben, auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang danken wir allen Beitragenden sehr herzlich dafür, dass sie uns ihre Zeit zur Verfügung stellen und in ihr Wissen, ihre Fertigkeiten und ihre Haltung Einblick geben.

Perspektive der strukturellen Entwicklungen in der Begleitung von schwer erkrankten und sterbenden Menschen.

Um Menschen dort zu erreichen, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben, und vor allem, um sie dort frühzeitig mit Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung vertraut zu machen, braucht es Settings und Menschen, die sich dafür einsetzen, z.B. Community Nurses, und die frühzeitige palliative Begleitung in den in Österreich vermehrt im Aufbau befindlichen Primärversorgungszentren. Ebenfalls in der sogenannten Grundversorgung angesiedelt sind Alten- und Pflegeheime – es ist wichtig, dass dort zum Beispiel in Form des VSD Vorsorgedialogs® qualitativ gute vorausschauende Planung für das Lebensende angeboten wird. Und wie kann es gelingen Hospizkultur und Palliative Care in Krankenhäusern zu implementieren – dort, wo die meisten Menschen sterben?

Für EAPC-Präsidenten Christof Ostgathe ist ein sehr maßgebliches Ziel für die Zukunft, diese drei Grundpfeiler in der Grundversorgung zu stärken.

Auch in der spezialisierten Palliativversorgung gibt es Bedarf nach einem niederschwelligen Zugang – wie z.B. dem Angebot einer Palliativambulanz.

Schon seit jeher sind ehrenamtliche Hospizbegleiter:innen eine nicht wegzudenkende Größe in der Begleitung von schwer erkrankten Menschen und ihren An- und Zugehörigen. In Zukunft wird es verstärkt darum gehen, auch weiterhin Menschen für das Ehrenamt in der Hospizarbeit – besonders auch junge – zu interessieren, zu befähigen und zu begeistern.

Perspektiven der Technik und Innovation

In der Hospiz- und Palliativversorgung gilt seit langem die Devise „low tech, high touch“. Sie symbolisiert die Haltung, dass die Zugewandtheit und die ganzheitliche Begleitung eine wichtige Rolle spielen. In der digitalisierten Welt, in der wir nun leben und in der menschliche Ressourcen knapp sind, bieten smarte Technologien auch für die Begleitung am Lebensende einige Möglichkeiten.

In der Technologiebranche können wir auch von kleinen Start-ups oder großen Konzernen wie Google lernen, meint Dorina Heller. Mit Methoden, die sonst in der Produktentwicklung eingesetzt werden, wie z.B. Design-Thinking, können wir uns kreative Prozesse für die (Weiter)entwicklung von Ideen in unserem Bereich zunutze machen.

Die Bedeutung von Rehabilitation und Förderung von Potenzialen waren ebenfalls Thema. Die Frage „Passen Rehabilitation und Palliative Care zusammen?“ wird von Patient:innen eindeutig bejaht. Es bedeutet eine inhaltliche Weiterentwicklung, auf die Bedürfnisse und Wünsche von Patient:innen nicht nur zu achten, sondern sie auch als Potenziale zu entdecken.

Perspektiven des Wissens und der Wahrnehmung

Fragen wir Menschen, die sich wenig oder nicht mit Hospiz und Palliative Care beschäftigen, so gibt es rund um die Begriffe oder darum, was in den damit befassten Einrichtungen passiert, viele Mythen und einiges an Halbwissen. Zugleich wird die Bevölkerung, wenn wir die demografische Entwicklung betrachten, in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärkt Wissen, Fertigkeiten und Haltung zum Thema Lebensende brauchen.

Drei Initiativen haben wir im Blogjahr 2023 vorgestellt, die sich mit der Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Haltung beschäftigen: Zwei junge Palliativpflegepersonen aus München stellen äußerst erfolgreich ihre palliative Tätigkeit auf Instagram vor. Die Letzte Hilfe Kurse finden mittlerweile in ganz Österreich statt und das Projekt Hospiz macht Schule hilft Kindern dabei, ihre Neugier zum Thema Tod und Sterben zu stillen.

Auch der immer wiederkehrenden Frage „Wie exklusiv ist Hospiz und Palliative Care?“ haben wir uns gestellt. Fazit: Vorurteil und Fakten liegen oft nicht so weit auseinander, Ausnahmen bestätigen die Regel. Tatsächlich bräuchten viel mehr Menschen diese Angebote und viele Menschen werden noch nicht erreicht, weil sie davon nichts wissen, oder aus strukturellen Gründen keinen Zugang haben.

Perspektive des „Genauer Hinsehens“

Auch spezielle Themen und besondere Methoden wurden vor den Vorhang geholt.

„Ihr könnt doch bald wieder ein Kind bekommen“, hören viele Eltern, wenn ihr Kind noch vor, während oder kurz nach der Geburt verstorben ist. Das mit einer Palliativen Geburt einhergehende Leid stellt Eltern, Familien und Begleiter:innen vor eine besondere Herausforderung.

Komplex ist auch der Umgang mit der Diagnose Demenz, hier gilt es ebenfalls, gut hinzusehen, hinzuspüren und hinzuhören. Das Konzept der Validation, das von Naomi Feil entwickelt wurde, hilft bei der Begleitung ungemein.

Achtsamkeit, Respekt und Würde sind zentrale Begriffe in der Hospizkultur. Würdezentrierte Therapie kann eine ganze Menge anbieten, wenn sich ein Leben dem Ende zuneigt. Durch Biografiearbeit erfahren die Klient:innen Wertschätzung – von außen und durch sich selbst.

Eine Menge Wissen, Haltung und Fertigkeiten steckt in diesen Blogbeiträgen. Wir laden Sie ein, sich in einer ruhigen Minute den einen oder anderen Beitrag noch einmal zu Gemüte zu führen.

Last, but definitely not least, wünschen wir Ihnen

Frohe Weihnachten
und
einen gesunden, erholten Start ins neue Jahr! 

Wir danken Ihnen, dass Sie sich für „unser Thema“ interessieren, dafür brennen und diesen Blog lesen.
Bleiben Sie neugierig und uns gewogen. Am 11. Jänner 2024 geht es weiter.

Ihr Blogteam von HOSPIZ ÖSTERREICH
Marianne Buchegger, Catrin Neumüller und Rainer Simader

Bildquelle: pexels