Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Wie exklusiv ist Palliative Care?

veröffentlicht am

Es ist ein sonniger und warmer Vormittag, ich freue mich auf das Gespräch mit Veronika Mosich im Garten der CS am Rennweg. Ich bemerke nicht, dass der Tisch, an dem wir Platz nehmen, wackelt. Als ich die Wassergläser abstelle, kippt eines um und das Wasser ergießt sich über den Tisch und auf Veronikas Kleid.

Sie nimmt es gelassen und sagt: „Wenn ich mich im richtigen Winkel in die Sonne setze, trocknet es ganz schnell wieder.“ Veronika begegnet den unterschiedlichen Situationen des Lebens mit der ihr eigenen pragmatisch-optimistischen Art – was auf den Wasserunfall folgt, ist ein spannender Word Rap zu Begriffen wie Exklusivität, „Perlen am Ende des Lebens“, Brückenfunktionen und Bildung…

 

Exklusivität

„Exklusivität hat für mich zwei Bedeutungen – zum einen, dass etwas sehr teuer ist und es sich nicht alle leisten können. Zum anderen, die Ursprungsbedeutung vom lateinischen Wortstamm ‚excludere‘ = ‚ausschließen‘. Palliative Care läuft Gefahr, zu teuer zu werden und jene auszuschließen, die sie sich nicht leisten können ODER, die – vielleicht aufgrund ihres sozioökonomischen Status – nichts über die Angebote von Palliative Care wissen. Es gibt aber auch Menschen, die wegen ihres Versicherungsstatus keine Möglichkeit haben, auf die Angebote von Hospiz und Palliative Care zuzugreifen.“

 

Spannungsfeld Stadt – Land

„Es macht einen großen Unterschied, ob die Patient:innen im urbanen oder ländlichen Raum leben. In einer Großstadt wie Wien gibt es alle Angebote der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung in (örtlicher) Reichweite. In einem Tal in Vorarlberg zum Beispiel oder allgemein den ländlichen Gebieten der Bundesländer sieht es anders aus. Da kann es auch sein, dass ein mobiles Palliativteam nur von Montag bis Freitag erreichbar ist und die Kolleg:innen immens weite Strecken von einem betreuten Menschen zum anderen fahren müssen. Auch die Förderungen sind in den Bundesländern unterschiedlich geregelt – all dies erschwert den Zugriff auf Hospiz und Palliative Care Angebote und Leistungen für betreute Menschen sowie deren An- und Zugehörige.“

 

Palliativkonsiliardienst (PKD)

„Nach wie vor wird Palliative Care von der breiten Bevölkerung, aber auch von Kolleg:innen vornehmlich im Zusammenhang mit Krebserkrankungen in Betracht gezogen, wenn ‚nichts mehr zu machen ist‘. Aber Palliative Care soll für alle Menschen jeden Alters mit allen Erkrankungen selbstverständlich zugänglich sein. Für mich stellt Palliative Care die Perle am Ende des Lebens dar, die jeder Mensch finden soll und darf. Ein zentrales Element dafür ist aus meiner Sicht der Palliativkonsiliardienst. Der PKD kann eine wunderbare Brückenfunktion zwischen den unterschiedlichen Stationen eines Krankenhauses und der Palliativstation, dem Entlassungsmanagement, aber auch den Kolleg:innen einnehmen. Ein PKD sollte regelhaft zu allen Situationen zugezogen werden können, die kritisch erscheinen und in denen Hospiz und Palliative Care eine Möglichkeit darstellt. In meiner Arbeit im PKD bei den Barmherzigen Brüdern in Wien haben wir in diesem Sinne gearbeitet und auf diese vernetzend wirkende Art wunderbare Begleitungen organisiert.“

 

Transition

„Wir müssen unser Augenmerk auf die neuen Herausforderungen legen, die auf uns zukommen und für die wir uns alle vorbereiten sowie befähigen müssen. Dazu gehört zum Beispiel das Thema der Transition. Die Transition ist ein gezielter, geplanter Prozess, um Jugendliche und junge Erwachsene mit chronischen Erkrankungen von der kindzentrierten in die erwachsenenorientierte Betreuung zu übergeben. Wie können wir sie gestalten? Wie können wir dem steigenden Bedarf begegnen und wie unsere Kolleg:innen und uns dafür ‚fit‘ machen? Wie können die Bedarfe finanziert werden? Diese Fragen beschäftigen mich, weil sie Hospiz und Palliative Care im Moment noch für viele dieser jungen Erwachsenen zu etwas Exklusivem machen.“

 

Bildung

„Das Wissen um die Angebote und Leistungen von Hospiz und Palliative Care müssen in die Gesellschaft getragen werden. Sowohl in der ‚Zivilgesellschaft‘ als auch unter den Fachleuten gibt es nach wie vor Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedarf. Projekte wie HPCPH (Hospiz und Palliative Care in Alten- und Pflegeheimen) oder HPC Mobil (Hospiz und Palliative Care in der Begleitung zu Hause), die die Kolleg:innen in der Grundversorgung stärken und befähigen, ein Sterben zu Hause oder im Pflegeheim zu begleiten, sind ganz wichtig und müssen weitergeführt werden. Für mich ist das Fördern der ‚Selbstwirksamkeitserwartung‘ eine Kernaufgabe der Bildung. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass unsere Kolleg:innen durch Befähigung zur Überzeugung gelangen, bestimmte Herausforderungen und Anforderungen erfolgreich meistern zu können. Zum Beispiel zu wissen, wann bei der Begleitung zu Hause ein mobiles Palliativteam oder ein Palliativmediziner:in zugezogen werden muss. Auch „Hospiz macht Schule“ vermittelt Grundwissen und ermöglicht damit selbstbewusstes Handeln im eigenen Umfeld. Die steigenden Zahlen an demenziell erkrankten Menschen in der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung ist eine weitere Herausforderung. Indem Validation und die validierende Grundhaltung vermittelt, geübt und reflektiert wird, können wir auch in diesem Bereich die ‚Selbstwirksamkeitserwartung‘ der Kolleg:innen stärken.

Nur durch kontinuierliche Aus-, Fort- und Weiterbildung, Raum zur Reflexion, offene Augen und Ohren für die Bedürfnisse und Bedarfe der Menschen, sowie mit der passenden Finanzierung dieser Bedarfe und Bedürfnisse werden wir den Sprung weg von der Exklusivität hin zur Perle am Ende eines jeden Lebens schaffen.“

 

Dr.in Veronika Mosich, MSc, ist ärztliche Leiterin des CS Hospiz Rennweg, Vorstandsmitglied der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) sowie Leiterin des OPG-Diplom-Palliativlehrgangs für Ärzt:innen

Das Gespräch führte Marianne Buchegger

Bildquelle: pexels