Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Zukunft braucht Vielfalt – Junges Ehrenamt

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Dr. Bernadette Groebe hielt auf dem von HOSPIZ ÖSTERREICH veranstalteten Fachtag „Potenzial LEBEN! Bis zum Ende.“ am 15.9.23023 in Wien einen Workshop zum Thema Generationenübergreifendes Ehrenamt – Junge Menschen interessieren, stärken und beteiligen.
4 Jahre lang leitete sie das Projekt „Junge Menschen in der Sterbe- und Trauerbegleitung“, das von den Maltesern und dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband e.V. initiiert und von 2018 – 2022 betrieben wurde. Ihr Engagement wird in ihren Ausführungen und nicht zuletzt in der abwechslungsreichen Gestaltung des Workshops spürbar.

Wie wurde das Projekt aufgesetzt?

Frei nach dem Motto „Zukunft braucht Vielfalt“ wurden an 12 verschiedenen Standorten in ganz Deutschland Pilotprojekte gestartet, also sowohl im urbanen wie im ländlichen Bereich, bei kleinen Diensten und in großen Zentren sowie in Kinder- und Jugendhospizdiensten und auch integrierten Diensten (für Erwachsene, Kinder + Jugend). Dabei wollten wir nicht nur für, sondern mit jungen Menschen arbeiten.  Die Pilotprojekte wurden durch zentrale Veranstaltungen begleitet, bei denen Erkenntnisse zusammengetragen und die Projektvorhaben – auch mit den wissenschaftlichen Begleiter:innen der Uni Graz – reflektiert, kollegial beraten und, wo nötig, angepasst wurden.

Zu Beginn des Projektes haben wir bei den Malteser Hospizdiensten gefragt, wie viele Menschen unter 30 bereits im Dienst tätig und wie die Erfahrungen sind. Die Umfrage richtete sich sowohl an die Leitungen/Koordination des Dienstes als auch an die jungen Menschen selbst. Hierbei stellte sich heraus, dass mit 3,5 % nur ein sehr geringer Teil der Ehrenamtlichen unter 30 sind. In einer Umfrage bei den Maltesern zeigte sich, dass gesellschaftliches Engagement, Lernen für den Beruf und das Sammeln von Lebenserfahrung wesentliche Motivationsfaktoren sind.

Im Laufe des Projektes haben wir mit dem YouGov Institut Deutschland eine repräsentative Bevölkerungsumfrage unter 16 – 30 Jährigen durchgeführt. Diese Umfrage beschäftigte sich mit den Fragen, wie Menschen unter 30 Jahren zu den Themen „Tod, Sterben und Trauer“ stehen, welche Erfahrungen und Vorstellungen sie haben. Dabei kam nicht nur heraus, dass über 60 % bereits wichtige Menschen in ihrem Leben verloren haben, sondern auch, dass sich fast die Hälfte der Befragten vorstellen können, sich in der Hospizarbeit zu engagieren oder schon aktiv sind.

Wie kann man das Feld der Hospizarbeit und Trauerbegleitung für junge Menschen öffnen und sie dafür gewinnen, hier ehrenamtlich mitzuarbeiten?

Für junge Ehrenamtliche braucht es neue, vielfältige Formen die Hospizarbeit kennenzulernen sowie darin eingesetzt zu werden. Es braucht zusätzlich neue, unterschiedliche Wege der Vorbereitung und Qualifizierung und wir müssen unsere Organisationsformen entsprechend weiterentwickeln.

Wie interessiert man junge Leute für die Hospizkultur, die noch keinen Zugang haben, nichts darüber wissen?

Ja, um junge Menschen zu erreichen, brauchen wir 1. Kommunikation. Wir müssen sie dort abholen, wo sie sich bewegen. Natürlich über Social Media & Werbung, die Vernetzung mit ‚jungen‘ Partnern (Jugendzentren, Schulen, Hochschulen, Unternehmen…) und über Kultur, Festivals, Messen, Events. Aktionen wie „Before I die“-Wände an öffentlichen Orten und niederschwellige Bildungsangebote, Schnupperkurse, Seminare, Online-Formate sensibilisieren und vermitteln Haltung, Sinn und Freude. 2. Partizipation, also die tatsächliche Zusammenarbeit mit jungen Menschen in der Hospizarbeit. Der Anteil junger Erwachsener im Hospizdienst-Ehrenamt ist sehr gering, aber die Erfahrungen sind großteils sehr gut. Daher gilt es, auf diesen positiven Erfahrungen aufzubauen und mit jungen Menschen und ihren Ideen die Hospizbewegung weiter auszugestalten.

Was waren die Learnings aus den Pilotprojekten?

Wenn wir junge Menschen für ehrenamtliche Tätigkeiten in der Hospizarbeit gewinnen wollen, müssen wir umdenken.
Es gibt seitens der Jungen aufgrund ihrer Lebenswelten „andere“ Anforderungen an ein Ehrenamt. Das bedeutet einen Strukturwandel im bürgerschaftlichen Engagement. Sie haben wenig Zeit, sind eher spontan, punktuell und flexibel verfügbar, individuell orientiert und motiviert und wünschen sich auch Anerkennung (z.B. Gegenleistung für berufliche Zukunft). Die Herausforderung besteht also darin, die Kompetenzen und Stärken der Jungen in die Hospizdienste zu integrieren, sowie Einstiege und Qualifizierungen „Schritt für Schritt“ zu ermöglichen. Für „andere“ Tätigkeiten wie Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungsorganisation ist ja keine Qualifizierung zur Sterbe/Trauerbegleitung im herkömmlichen Sinn nötig. Außerdem können Vorbereitungs- und Kompaktkurse für junge Begleitende entwickelt und angeboten werden.

Wie kann es weitergehen?

Es geht darum, die Vielfalt zu würdigen, Neues und Bestehendes zusammenzubringen und das gemeinschaftliche WIR im Dienst zu stärken. Dafür müssen wir die Organisationsstrukturen verändern: Wie geht die Koordination von kurzfristigem und flexiblem Engagement? Welche Formen von Praxisbegleitung und Supervision können wir anbieten? Wie können „Jung und Alt“-Tandems einander verstehen und voneinander lernen? Wenn wir junge Menschen interessieren, stärken und beteiligen, wird die Zusammenarbeit mit jungen Menschen im Hospizdienst gelingen.

Dr. Bernadette Groebe, Psychologin, tätig als Referentin und stellv. Leitung der Fachstelle Hospizarbeit, Palliativversorgung & Trauerbegleitung, Malteser Hilfsdienst e.V. in Köln, Deutschland. Von 2018 bis 2022 Projektleiterin des Projektes „Junge Menschen in der Sterbe- und Trauerbegleitung“, Infos unter www.junges-ehrenamt-hospiz.de

Das Gespräch führte Catrin Neumüller