Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Palliative Sozialarbeit? Wieso? Weshalb? Warum?

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Während im anglo-amerikanischen Raum die Rolle der Sozialarbeit tief in der palliativen Versorgung verwurzelt scheint – Dame Cicely Saunders selbst war nicht nur gelernte Krankenschwester und Ärztin, sondern auch Sozialarbeiterin – waren palliative Sozialarbeiter:innen in Österreich lange Zeit eine fast exotische Ausnahme. Zu Unrecht, wie die stetig wachsende Anzahl der Kolleg:innen im diesem Tätigkeitsbereich beweist.

Die Soziale Arbeit als eigenständige Disziplin befasst sich ganz generell mit sozialen Problemlagen, welche natürlich sehr vielfältig sind und von der Marginalisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen über Armutsgefährdung bis hin zu Arbeitslosigkeit oder Wohnungslosigkeit reichen können.

In diesem unglaublich weiten Feld soll die spezialisierte, palliative Sozialarbeit schwerstkranken Menschen und deren Familien Hilfestellungen zur Lösung der sozialen Probleme anbieten, die mit der schwerwiegenden Erkrankung, dem drohenden Tod, der Pflege von Angehörigen oder dem Prozess der Trauer einhergehen. Die Problemlagen sind dabei so vielfältig und individuell unterschiedlich, wie die Betroffenen bzw. Patient:innen und ihre Familien.

Dennoch gibt es Problemlagen, die in der palliativen Sozialarbeit häufig auftreten, sie sollen hier als Kernbereiche exemplarisch dargestellt werden.

Hier also einige Beispiele:

Eine schwere und oftmals todbringende Erkrankung stellt die Betroffenen und ihre Familien oftmals vor sehr handfeste, finanzielle Probleme:

Wer kann noch mit Elan einem Vollzeitjob nachgehen, wenn das eigene Kind gerade stirbt? Wie zahle ich allein die Miete für die große Wohnung weiter, wenn mein:e Partner:in nicht mehr ist? Wie kann ich nach einem solchen Verlust überhaupt wieder arbeiten? Wie kann ich die Wohnung der Großmutter barrierefrei gestalten, damit sie ihrem Wunsch entsprechend daheim gepflegt wird?

Solche und ähnliche Fragen plagen oftmals Betroffene und verschlimmern massiv diese ohnehin bereits herausfordernden Lebensabschnitte. In einem Land wie Österreich gibt es für viele – wenn auch längst nicht alle – dieser Fälle finanzielle Hilfen, sei es von Bund, Land oder NGOs. Diese Hilfen müssen aber fast immer per Antrag aufwendig eingefordert werden. Dafür muss nicht selten die Notlage der Betroffenen explizit und anhand von Befunden und Einkommensnachweisen, etc., dargestellt werden. Manchmal werden unvollständige Anträge abgelehnt, dann wieder fehlt den Betroffenen der Überblick über die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten. Egal ob im Kampf gegen den Behördendschungel oder bei der Suche nach der richtigen Art der finanziellen Unterstützung – hier sind die palliativen Sozialarbeiter:innen die richtigen Ansprechpartner:innen für die Betroffenen. Sie sind durch ihre Ausbildung sowohl in sozialrechtlichen Fragen als auch in deren realer Umsetzung geschult und verfügen in der Regel über ein umfassendes Wissen in Bezug auf finanzielle Hilfsangebote.

Ein weiteres, großes Problem, welches viele Kranke, Sterbende und Trauernde betrifft, ist die soziale Exklusion und Vereinsamung. Auch hier ist es eine Kernkompetenz der palliativen Sozialarbeit dieser Verdrängung der Betroffenen an den Rand der Gesellschaft entgegen zu wirken. Sowohl durch Vermittlung an Selbsthilfegruppen oder beispielsweise die Leitung von Trauergruppen, als auch durch eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit können Sozialarbeiter:innen hier einem sozialen Ausschluss und einer möglichen Stigmatisierung und der damit einhergehenden Vereinsamung entgegenwirken.

Ein zusätzlicher Schwerpunkt der palliativen Sozialarbeit liegt im Bereich des Case-Managements und der Koordination von verschiedenen Hilfsleistungen. Die Multiproblemlagen, die schwere Erkrankungen oder der Verlust eines geliebten Menschen mit sich bringen, erfordern oft eine Vielzahl an Hilfsleistungen, die gut koordiniert werden müssen, um Überschneidungen oder Kontraindikationen zu vermeiden. Wie leicht vorstellbar, ist diese Koordination oft eine schwierige und zudem sehr zeitaufwendige Angelegenheit: Ärzt:innen und Pflegekräfte müssen kontaktiert und erreicht werden, Vernetzungsgespräche geplant und durchgeführt.

Eine weitere koordinatorische Aufgabe, die oft in den Bereich der palliativen Sozialarbeit fällt, ist die Akquise, Aus- und Weiterbildung, Begleitung und Einsatzorganisation von ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Zu entscheiden, wer zu welcher Familie passt und wer sich für welche Tätigkeit eignet, erfordert naturgemäß viel Fingerspitzengefühl und kommunikative Kompetenz.

Neben diesen und vielen anderen Tätigkeitsbereichen liegt die wahre Expertise von Sozialarbeiter:innen in der psychosozialen Beratung. Sie bildet die Grundlage des sozialarbeiterischen Handelns. Sie ist weder Psychotherapie, noch reine Info-Weitergabe, sondern eine eigene „Kunst“. Im Rahmen der psychosozialen Beratung werden professionelle Beziehungen zu Kranken, Trauernden oder Angehörigen aufgebaut, Sozialanamnesen angefertigt, Nöte und Wünsche thematisiert und Hilfsangebote entwickelt und angepasst. Im Rahmen der psychosozialen Beratung schlagen palliative Sozialarbeiter:innen Brücken zwischen Patient:innen und ihrem sozialen Umfeld, der Unterstützungslandschaft und den betroffenen Familien oder den individuellen Lebenswelten und der Gesellschaft im Allgemeinen.

Gerade durch diese Brückenfunktion kann die palliative Sozialarbeit einen wertvollen Beitrag dazu leisten, die Autonomie, die Selbstbestimmung und die Würde von kranken, sterbenden oder trauernden Menschen und deren Familien zu erhalten, zu verbessern und zu schützen.

Mag. (FH) Michael-M. Lippka-Zotti, Sozialarbeiter, Koordinator des Kinderhospiz Sterntalerhof für Oberösterreich, externer Lehrbeauftragter am Studiengang „Sozialarbeit“ der FH Oberösterreich für „Palliative Begleitung und Trauerarbeit“

Bildquelle:pexels