Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Für die eigene Seele Sorge tragen

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„Heute war ich schon am Berg“, sagt Elmar Simma. Er ist Autor, ehemaliger Lehrer, aktiver Seelsorger und Priester in Vorarlberg. Ich treffe Elmar Simma am Pfingstmontag zum Telefongespräch.

Im Moment hat er sehr viel zu tun. Allein in der vergangenen Woche hat er vier Begräbnisse gehalten. Parallel dazu ist er nach wie vor als Seelsorger in der Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden sowie deren An- und Zugehörigen tätig. „In den letzten zwei Jahren hat sich viel verändert“, erzählt er, „Der Priestermangel ist deutlich spürbar, aber auch in der Seelsorge haben wir immer weniger Zeit für den einzelnen Menschen.“

„Aber wissen Sie“, meint er, „Begleitung heißt ‚Sich öfters Begegnen‘, nicht nur ‚einmal zu Besuch kommen‘. Und es brauchen ja auch die Angehörigen Begleitung. Sie müssen oft erst in die Begleitung ihres sterbenden Angehörigen hineinwachsen. Sie brauchen Zeit und Gespräche – während der Begleitung, aber auch nach dem Versterben ihres Angehörigen. Ich gehe immer noch ein, zwei, dreimal zu den Angehörigen und begleite sie in und durch ihre Trauer.“

Viele Begegnungen und viele Begleitungen können bereichernd, aber auch kräftezehrend sein. Ich frage nach. „Ja“, bestätigt er, „Ich habe durch meine Tätigkeiten viel Kontakt zu anderen Menschen und das ist auch gut, aber es bringt mich auch immer wieder an meine Grenzen und erzeugt Spannungen in mir. Das Bergsteigen löst vieles. Im Winter gehe ich Skifahren. Und oft mache ich das alles allein, mit mir selbst. Ich brauche diese Stille-Oasen, ich muss allein sein, um gut bei mir anzukommen.“

Die Begleitung des Vaters einer ehemaligen Schülerin hat ihn tief berührt. „Sie hat mich angerufen und mir erzählt, dass ihr Vater metastasierenden Hautkrebs hat und sie sich wünscht, dass ich die Begleitung übernehme. Aber sie war auch ein bisschen zögerlich, da ihr Vater ‚nicht wirklich‘ religiös wäre, wie sie es formulierte.“ Spielt es eine Rolle, ob jemand ‚richtig religiös‘ ist, wenn Herr Simma eine Begleitung übernimmt? „Nein. Ich frage immer „Wofür soll ich beten“? Die Begleitungen sind ein Beziehungsangebot. Es hängt immer von der Beziehung ab, ob eine Begleitung gut gelingen kann. Ich erlebe, dass das „Da Sein“ das Wichtigste ist. Den Weg gemeinsam zu gehen. Und wie war das bei dem Vater der Schülerin? „Ebenso“, sagt Elmar Simma, „Wir haben uns öfter getroffen. Am Ende war er sterbend und ich habe ihn auf der Palliativstation besucht. Seine drei Töchter und seine Gattin waren auch da, er hat geschlafen. Ich bin eingetreten und er ist aufgewacht, hat mich angeschaut, gelächelt und gesagt, ‚Es ist eine Freude, Herrn Simma zu sehen.‘ Das berührt mich noch immer tief.“

Wie kann Selbstsorge bei so viel Fürsorge und Seelsorge für andere gelingen, möchte ich zum Abschluss gerne wissen. „Für mich ist es mein Glaube und das Wissen um meinen mit mir gehenden Gott, die mir Kraft und Ruhe geben. Und das Bergsteigen.“

Elmar Simma
ist Priester, Lehrender, Seelsorger und Autor.
Seine Bücher handeln vom Mensch-Sein, von In Beziehung Sein, vom Leben, aber auch von Trauer und Tod. Elmar Simma lebt und arbeitet in Vorarlberg.

Bild: Pexels