Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Ich für mich, ich für uns, wir für uns

veröffentlicht am

Gut für sich und andere sorgen – aus Sicht der Führungskraft

Ich habe mein Team 2018 übernommen – voller Elan und bereit, alles immer perfekt zu machen. Immer 100% zu geben. Immer achtsam, immer zugewandt, immer klar und eindeutig, immer positiv zu sein. Und natürlich reflektiert!

Und dann lernte ich das Leben als „Führungskraft“ kennen. Vor allem erlebte ich, dass ich mich selbst überholte. Vor lauter nach außen hingewandt sein, hörte ich nicht mehr in mich hinein. Dies hatte zur Folge, dass ich ein Stück weit den Kontakt zu mir verlor, und dadurch auch nicht mehr „sorgend“ -im Sinne von wahrnehmend – führte.

Der „Moment der Erkenntnis“ kam, als ich einen Konflikt mit einer Mitarbeiterin erlebte. In meiner Wahrnehmung hatte ich den Konflikt ausgetragen – und war der Meinung, zugehört und alles wertschätzend und richtig gestaltet zu haben. Aber der Konflikt ließ sich nicht lösen. Im Gegenteil – es wurde immer enger.

Schließlich erzählte ich meinem Coach von dem Konflikt und den Gesprächen mit meiner Mitarbeiterin. Was sie gesagt, was ich erwidert hatte und so weiter. Mein Coach war währenddessen ganz still. Als ich fertig war und fragte „Was raten Sie mir, was soll ich jetzt tun?“, sagte sie zu mir „Hören Sie Ihrer Mitarbeiterin zu.“ Ich war wie vom Donner gerührt – und natürlich zuerst etwas „verschnupft“, denn schließlich höre ich doch zu!

In der Retrospektive des Gesprächs wurde jedoch deutlich, dass mir meine Mitarbeiterin gesagt hatte, was ihr Thema war und was sie von mir brauchte, ich es aber nicht gehört hatte. Ich hatte mein Bild der Situation und eine fertige Idee der Lösung und war dadurch gar nicht in der Lage, wirklich zuzuhören.

Aufbauend auf dieser Erfahrung traf ich mit meinem Coach eine Vereinbarung – nämlich, für einen Zeitraum von zwei Monaten nichts zu tun. Also im Sinne von: nicht zu versuchen, perfekt zu sein und alles 100%ig richtig zu machen – aber vor allem nicht immer zu versuchen, schnell und effizient zu sein. Am Ende der zwei Monate war nicht nur ich deutlich ausgeglichener und zufriedener, auch im Team war die Entspannung zu spüren. Dadurch konnten meine Mitarbeiterin und ich schließlich ein gutes Gespräch führen und die frühere Konfliktsituation auflösen.

Dieses Beispiel zeigt für mich sehr schön, was es heißt, als Führungskraft „gut für seine Mitarbeiter*innen zu sorgen“. Es bedeutet nämlich zunächst, dass ich mich gut um mich kümmere. Darauf achte, dass ich gut bei mir sein kann, dass ich mich nicht überhole (zumindest nicht immer 😉) und dass ich nicht nur nach außen hin achtsam bin, sondern auch mir selbst gegenüber. Dass ich mir meiner Verantwortung für mich und für meine Mitarbeiter*innen bewusst bin.

Ich denke, dass ich seit diesem „Moment der Erkenntnis“ gelernt habe, besser für mich als Führungskraft zu sorgen.

Seit dieser Erfahrung erlebe ich, dass meine Achtsamkeit und Aufmerksamkeit mir und anderen gegenüber meinem Team mehr Sicherheit und Orientierung gibt. Dadurch wiederum entsteht für das Team Raum für Auseinandersetzung, Gespräche und Zuhören. Ein Raum, in dem sowohl das Team für sich, als auch ich für das Team und schließlich ich für mich Sorge tragen kann.

Marianne Buchegger
ist Leiterin des Tageszentrums für Senior*innen der CS Caritas Socialis  www.cs.at
am Rennweg, sie ist Lehrgangsbegleiterin des ULG Palliative Care Vertiefung Palliativpflege und Blogverantwortliche bei Hospiz Österreich

Foto ©: www.pexels.com