Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

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Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige

2012 lebten in Österreich über 42.000 pflegende Kinder und Jugendliche. Sie sind oft Lückenfüller im Zusammenhang mit hauswirtschaftlichen Arbeiten und pflegerischen Tätigkeiten. Die Kinder übernehmen dabei die Verantwortung für sich und andere Familienmitglieder, welche „normalerweise“ von Erwachsenen übernommen werden

Dies belegen zwei Studien, die das damalige Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2012 und 2014 in Auftrag gegeben hatte, um die Situation von pflegenden Kindern und Jugendlichen im Familienkreis zu untersuchen, da es in der Öffentlichkeit für diese Gruppe bis dahin keine Aufmerksamkeit und Unterstützung gab.

In meiner beruflichen Tätigkeit als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin begleite ich chronisch kranke Menschen mit der Diagnose Multiple Sklerose (MS). Teil des Angebotes ist die Begleitung, Beratung und Schulung von erwachsenen Angehörigen.

Da MS ist die häufigste neurologische Erkrankung im jungen Erwachsenenalter ist, sind unsere Klient*innen aber immer wieder auch Eltern von jungen Kindern und Jugendlichen.

Wenn Menschen mit der Diagnose MS konfrontiert werden, sind nicht nur ihre Partner*innen und Eltern betroffen, sondern auch die Kinder.

In meiner Wahrnehmung erleben diese Kinder kaum Aufmerksamkeit.

Sie erleben eine“ Kindheit im Schatten“, wie es Maja Roedenbeck in ihrem gleichnamigen Buch (Ch. Links Verlag Berlin 2016) formuliert.

Ein zentrales Problem bei der Thematik Young Carers, wie sie international auch genannt werden, zeigt sich darin, dass die übernommenen Aufgaben wie das An- und Ausziehen, die Körperpflege und das Verabreichen von Medikamenten von den pflegenden Kindern und Jugendlichen als selbstverständlich wahrgenommen werden. Die betroffenen Kinder hinterfragen ihre Rolle dabei oft nicht und führen diese Tätigkeiten selbstverständlich durch.

Die Übernahme der Pflege durch Kinder und Jugendliche geht mit unterschiedlichsten Belastungen einher. So beschreiben Kinder und Jugendliche soziale, körperliche, psychische und schulische Belastungen.

Erfahrungen aus einer bereits etablierten erwachsenen Angehörigengruppe, in der sich neben Ehepartnern und Eltern auch Söhne und Töchter treffen, bestärkten mich darin, eine Gruppe für Kinder- und Jugendliche zu gründen. Die erwachsenen Teilnehmer*innen meldeten oft rück, dass es gut für sie gewesen, Beistand in dieser teils herausfordernden Zeit gehabt zu haben:

  • Jemanden gehabt zu haben, der ihnen erlaubt hätte auszusprechen, dass die Unterstützung ihres Elternteils auch manchmal als große Belastung empfunden wurde.
  • Jemanden, dem sie ihre Ängste und Sorgen erzählen können und Anerkennung, sowie Verständnis für ihre Leistung erhalten.

Bei einigen Teilnehmer*innen hat diese besondere Kindheit Spuren hinterlassen, die ihnen im Erwachsenenleben manchmal im Weg sind oder in den Weg kommen.

Aufbauend auf diesen Erfahrungen habe ich, gemeinsam mit einer Kollegin, die ebenfalls im Coaching tätig ist, das Konzept „Starke Töchter, starke Söhne“ entwickelt.

Ziele unseres Angebotes sind:

  • Unterstützung in der Situation als Betroffene von MS
  • Gesundheitsförderung – Stärkung der eigenen Ressourcen
  • Unterstützung in der Alltagsbewältigung und Krankheitsverarbeitung
  • Information und Beratung zu krankheitsrelevanten Fragestellungen

Die Sensibilisierung der Eltern für die Bedürfnisse und Bedarfe ihrer Kinder beschäftigt uns nach wie vor. In meiner engen Zusammenarbeit mit der Wiener MS Gesellschaft haben wir dazu ein „Elternsymposium“ veranstaltet.

Vielen Elternteilen ist es nicht klar, dass bereits Kinder und Jugendliche Unterstützung und Begleitung brauchen.

Um Kinder als pflegende Angehörige auch gesellschaftlich aus dem Schatten ins Licht zu bringen, freue ich mich sehr, um diesen Beitrag gebeten worden zu sein und diesen Kindern damit eine Bühne zu geben.

DGKP Ramona Rosenthal, Leitung MS Tageszentrum der CS Caritas Socialis Gmbh


Angebote für pflegende Kinder und Jugendliche

Hinweise zu den Quellen:

Metzing, S., Schnepp, W.(2007) „Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige: wie sich pflegerische Hilfen auf ihr Leben auswirken können. Eine internationale Literaturstudie (1990–2006).“ Pflege 20.6 (2007): 331-336.

Daniel, M., Hauprich, J., Kainbacher, M., Koller, M., Mayer, H., & Nagl-Cupal, M. (2015). Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige: Einblick in die Situation Betroffener und Möglichkeiten der Unterstützung. Zwei Studien des Instituts für Pflegewissenschaft der Universität Wien im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Sozialpolitische Studienreihe Band 19.

FOTO: Starke Töchter, starke Söhne
Copyright: CS Caritas Socialis