Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Palliative Care studieren!

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2018 habe ich mit dem Studium „Palliative Care“ begonnen und im November 2020 mit der Masterprüfung abgeschlossen. In den Jahren des Studiums habe ich einen vielfältigen und abwechslungsreichen Mix an Lehrveranstaltungen, wie zum Beispiel Gesundheitsökonomie, Ethik, Public Health, Public Relations, Psychologie, Organisationsentwicklung und Leadership erlebt.

Dieser Mix verdeutlicht, dass das Thema Hospiz und Palliative Care weit über die Medizin hinaus vertreten ist, und weit gedacht beziehungsweise entwickelt werden muss. In unzähligen Diskussionen, während und nach den Lehrveranstaltungen, ist genau das auch passiert – wir haben die Interprofessionalität unserer Gruppe genutzt, um über unsere jeweiligen „Tellerränder“ zu blicken. Wir haben uns mit den Themen der Lehrveranstaltungen, unserer Masterarbeiten oder Themen aus unseren Arbeitskontexten auseinandergesetzt und, teilweise kontrovers, diskutiert.

Es waren diese Diskussionen, die für mich das Herzstück des Studiums darstellten. Im Austausch mit anderen konnten neue Ideen entstehen, durchgedacht werden, zum Teil wieder verworfen werden. Das ist es, was Palliative Care für mich so spannend macht. Palliative Care ist ein intensives und herausforderndes Feld, das nur durch konsequentes, gemeinsames, interprofessionelles „über den Tellerrand Denken“ entwickelt werden kann.

Und das ist genau das, was während des Studiums der Palliative Care in St. Virgil – und im Moment notwendigerweise in online Diskussionen und online Unterricht – passiert.

Und es gilt: Flexibilität in unserem Handeln und unserer Kommunikation bringt uns als Menschen, als Gesellschaft und die Hospiz- und Palliativarbeit voran.

Marianne Buchegger, BA. MSc
Leitung eines Tageszentrums für SeniorInnen bei der CS Caritas Socialis GmbH, Blogverantwortliche beim Dachverband Hospiz Österreich


Palliative Care – studieren – geht das denn?

Der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) betonte bereits vor mehr als 200 Jahren die Bedeutung vernetzten Denkens mit dem Satz: „Theorie ohne Praxis ist leer, Praxis ohne Theorie ist blind.“  Das Ziel des Universitätslehrgangs Palliative Care (ULG PC) ist es, Personen aus dem praktischen Erfahrungswissen mit fundiertem Theoriewissen zu vernetzen. Damit soll das eigene Berufsfeld kritisch reflektiert und die Hospiz- und Palliativarbeit weiterentwickelt werden. Der Universitätslehrgang ist nicht nur eine Weiterbildung, sondern eines von wenigen akademischen Angeboten im deutschsprachigen Raum Palliative Care, wo auch eine Graduierung zum Master of Science angestrebt werden kann.

Der ULG PC wurde 2006 auf die Initiative von Sr. Hildegard Teuschl CS konzipiert und findet in Kooperation von drei Trägerorganisationen statt. Dies sind zum einen der Dachverband Hospiz Österreich, der für die inhaltliche Gestaltung verantwortlich ist. Zum anderen ist es die Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg (PMU) als akademischer Träger und St. Virgil Salzburg als Bildungszentrum und Veranstaltungsort der Lehrgangsblöcke. Seit 2006 haben 158 Personen den gesamten Masterlehrgang, der auf drei Levels aufbaut, absolviert. Heuer, am 6. November 2020, haben weitere 23 Personen den 10. Lehrgang erfolgreich abgeschlossen, darunter waren neben Österreicherinnen und Österreichern auch Studierende aus Deutschland und Italien.

Der ULG wird als aufbauender Lehrgang in drei Levels angeboten. Level 1 wird 10 x in Österreich und 1 x in Deutschland (Bamberg in Bayern) angeboten. Diese, auch als Interprofessionelle Basislehrgänge bezeichnet, werden von Pflegepersonen, Mediziner*innen, Seelsorger*innen, Therapeut*innen und Psycholog*innen besucht und befähigen zu Grundkenntnissen in Hospiz- und Palliative Care.

Im nachfolgenden Level II finden die Lehrgänge monoprofessionell und fachspezifisch statt. Die Teilnehmer*innen wählen jenen Lehrgang aus, in dem sie auch beruflich tätig sind. Es wird ein Lehrgang für Pflegepersonen, für die Berufsgruppe aus psychosozial-spirituellen Berufen, für Medizinerinnen und Mediziner und für das pädiatrische Umfeld angeboten. Ab Herbst 2022 wird es auch einen Lehrgang für Medizinisch-therapeutische Berufe geben. Damit wird auch dieser Berufsgruppe, die eine wichtige Rolle in der Hospiz- und Palliativversorgung spielt, eine fundierte Weiterbildung zu palliativen Themen ermöglicht.

Sowohl in Level I als auch in Level II sind pro Ausbildungsjahr mind. 40 Stunden Praktikum im Hospiz- und Palliativbereich erforderlich. Damit soll der Theorie-Praxis-Transfer gesichert und die Bedeutung der Reflexion praktischen Handelns betont werden.

In Level III geht es insbesondere um Führungs- und Leitungsaufgaben. Der Fokus liegt in der Weiterentwicklung des eigenen Arbeitsbereiches auf organisationaler und strategischer Ebene. Lernen findet hier wieder interprofessionell statt. Im Mittelpunkt von Level III steht, neben gruppendynamischen Prozessen, auch selbstorganisiertes Lernen. In den beiden Semestern wechseln Präsenzphasen und Zeiten des Selbststudiums einander regelmäßig ab.

Zielsetzung ist es, bestehendes Wissen zu vertiefen und neue Erkenntnisse zu erweitern. Diese sollten dann in das eigene Berufsfeld implementiert werden, um so eine Entwicklung in der Praxis zu fördern. Die Studierenden erstellen zudem eine Masterthesis, wo ein Thema aus dem eigenen Handlungsfeld empirisch bearbeitet wird. Den Abschluss von Level III des ULG Palliative bildet die Masterprüfung bzw. die Defensio der erstellten Arbeit. Unter https://www.ulg-palliativecare.at/ können die Details zu allen drei Levels nachgelesen werden

Als Studiengangsleiterin beobachte ich, wie gemeinsames Lernen alle Berufsgruppen bereichern kann und wie motiviert die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Lehrgang sind. Sie sind Personen, die tagtäglich in Kontakt mit Menschen sind, die Betreuung benötigen. Nun brauchen sie nicht zu geben, sie dürfen auch nehmen, sie erhalten etwas zurück – nämlich Rückmeldungen auf ihr tägliches Tun und evidenzbasiertes Fachwissen. Es entstehen Beziehungen und es wächst das Selbstvertrauen jeder/jedes einzelnen Teilnehmer*in. Ja, es erfüllt sie am Ende dieser sechs Semester mit Stolz, ein zukunftsorientiertes Studium absolviert zu haben, das Wissen zum Menschen bringt und in engem Austausch mit anderen erworben worden ist. Die besten Lernbegleiterinnen sind Freude und Motivation – und von diesen beiden gibt es, neben einer Menge Erfahrungswissen in Hospiz- und Palliative Care, in unseren Lehrgängen genug! Somit kann eben, wie Kant bereits konstatierte, Theorie und Praxis vernetzt werden.

Doris Schlömmer, MMSc
Studiengangsleitung ULG PC
https://www.ulg-palliativecare.at/

 

Bildquelle: eigener Screenshot der virtuellen Masterfeier 2020