Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

„Kannst du mir bitte die Zusammensetzung der Ileus-Pumpe weiterleiten ;-) “

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Vertiefungsstufe Palliativmedizin des ULG Palliative Care

Der Universitätslehrgang Palliative Care gliedert sich in drei Stufen. Die Stufe eins ist der interprofessionelle Basislehrgang, die Stufe zwei ist die Vertiefungsstufe, die für spezifische Professionen oder auch multiprofessionell angeboten wird, bevor anschließend die Möglichkeit besteht, in Stufe 3 zum Master of Science bzw. zum*zur akademischen Palliativexperten*in zu graduieren.

Für Mediziner*innen gibt es seit 2004 Jahren eine eigene monoprofessionelle Stufe 2. Von Beginn an im Team der Lehrgansleitung ist Dr.in Annette Henry MSc. Rainer Simader vom Dachverband Hospiz Österreich traf Dr.in Henry zum Gespräch.

Frau Dr.in Henry, wer sind denn die Ärzt*innen, die den Lehrgang besuchen?

Es ist ein großer Reichtum für unseren Lehrgang, dass die Ärzt*innen aus fast allen Bundesländern Österreichs kommen. Immer wieder auch aus Deutschland, Südtirol oder der Schweiz. Ebenso vielfältig sind die vertretenen Fachrichtungen: Innere Medizin, Anästhesie, Allgemeinmedizin, Neurologie, Gynäkologie oder Pädiatrie – vom Assistenzarzt bis zur Universitätsprofessorin. Durch diese Vielfalt in der Kursgruppe entsteht bei jedem Thema eine lebendige Diskussion – genährt durch die unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen. Palliative Care von der Neonatologie bis zur Geriatrie.

Was sind die hauptsächlichen Beweggründe, warum sich Mediziner*innen dazu entschließen, noch einmal zu studieren?

Patient*innen am Lebensende zugewandt und fachlich kompetent zu behandeln, bringt uns Ärzt*innen auch immer wieder an Grenzen. Oft sind wir mit herausfordernden Aussagen von schwerstkranken und sterbenden Menschen konfrontiert: „Das kann doch jetzt nicht alles gewesen sein, Herr Doktor, da muss es doch noch etwas für mich geben“, lautet der Appell – oft noch in den letzten Lebenstagen.

Das Lindern belastender Symptome und das Ermöglichen von guter Lebensqualität trotz voranschreitender Erkrankung gelingt dem betreuenden Team ja glücklicherweise sehr häufig, doch die wenigen Situationen, wo die Symptomlast sehr dicht ist, bleiben oft lange im Gedächtnis.

Die Hauptmotivation der Mediziner*innen ist es, in ihren Behandlungskompetenzen „noch besser werden zu wollen“ und mehr Sicherheit in ihren Entscheidungen zu erlangen. Ungefähr zwei Drittel der Kursteilnehmer*innen arbeiten in der spezialisierten Palliativversorgung.

Im Lehrgang finden Ärzt*innen die Möglichkeit, aktuelle Forschungsergebnisse und Entwicklungen im Feld von Palliative Care auf Augenhöhe zu diskutieren. Sei es z.B. das umstrittene Triage-Konzept in der COVID-19 Pandemie, oder die Diskussion um den ärztlich assistierten Suizid.

Was ist das Einzigartige und Besondere an diesem Programm?

Bei der Entwicklung unseres Lehrgangskonzeptes vertrat Univ. Prof. Dr. Johannes Meran (Onkologe und Mitglied in der wissenschaftlichen Leitung des ULG Palliative Care) die Ansicht: „Bei dieser Weiterbildung muss es um Wissensvermittlung auf höchstem Niveau gehen“. Mir war es in gleichem Maße wichtig, dass die Ärzt*innen, die ja quasi „an der Basis“ arbeiten, Raum und Zeit für Ihre Fragen bekommen, für das, was „unter den Nägeln“ brennt.

Mit der Motivation, beiden Ansprüchen gerecht zu werden, haben wir das didaktische Modell des Arbeitens mit Patientenbeispielen entwickelt. Das Programm erstreckt sich über insgesamt 15 Kurstage innerhalb von 2 Semestern. Jede*r Ärzt*in präsentiert einmal im Lehrgangsverlauf ein real erlebtes Patientenbeispiel mit 2-3 daraus abgeleiteten Fragestellungen, die inhaltlich den rund 20 Fach-Referent*innen zugeordnet werden. Die Referent*innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz gehen im Rahmen ihres Vortrages auf die Fragestellungen ein und unterstützen die Patientenbeispiele mit wissenschaftlicher Evidenz. Dadurch entstehen bei allen Themen (z.B. Symptomlinderung, Ethik, Kommunikation etc..) lebendige Diskussionen und ein reger Austausch. Im Anschluss verfasst die*der Teilnehmer*in einen Case Report nach wissenschaftlichen Kriterien. Viele dieser Arbeiten wurden in Folge in medizinischen Journalen publiziert.

Was hat es nun mit dieser „Ileus-Pumpe“ auf sich?

Das war ein „Insider“ der laufenden Kursgruppe. Eine rege WhatsApp Kommunikation war da ins Laufen gekommen:

Wenn ein Darmverschluss bei fortgeschrittener Krebserkrankung nicht mehr operiert werden kann, gibt es die Möglichkeit, mehrere Medikamente zur Linderung des Schmerzes und des Erbrechens zu mischen und mittels einer sogenannten PCA Pumpe kontinuierlich zu verabreichen. Dies ist ein klassischer, oft wirkungsvoller „off label use“ in der Palliativmedizin. In der letzten Kursgruppe haben einige Kolleg*innen dank Angabe von genauen Dosierungen und Mischverhältnissen via WhatsApp erstmals diese Art der Therapie zu Hause bei ihren Patient*innen angewendet.

Wenn Sie an Ihre bisherige Zeit als Lehrgangsbegleiterin zurückdenken: Was hat Sie am meisten bewegt und berührt?

Unser Lehrgang lebt natürlich von den Menschen, ihren Haltungen und Weisheiten. Es berührt mich immer mitzuerleben, mit wieviel Engagement die Kolleg*innen ihr ARZT /ÄRZTIN-SEIN leben, mit wieviel Freude die Referent*innen in den Austausch mit der Gruppe gehen.

Drei Menschen möchte ich hier besonders erwähnen:

Peter Fässler Weibel, er ist leider schon verstorben, hat als Psychotherapeut und Kommunikationsexperte uns Ärzt*innen immer bestärkt, es quasi eingefordert, die Beziehung zu den Menschen, die wir betreuen, sehr ehrlich und in Würdigung der Ressourcen zu leben.

Dr. Dietmar Weixler, MSc, hat über 10 Jahre lang diesen Lehrgang im Ringen um eine gute Balance von wissenschaftlicher Evidenz und Reifen in der Haltung weiterentwickelt und geprägt. DANKE für jeden „Spaziergang über den Mönchsberg“ – ein freiwilliges Abend-Lehrgangs Highlight in Salzburg.

Dr. Gunther Riedl, MSc: DANKE, dass du als „next generation Palliativmediziner“ nun das Weiterentwickeln mit mir trägst.

Und in DANK und Verbundenheit mit Hildegard Teuschl, ohne die es diesen Universitätslehrgang Palliative Care nicht gäbe, freue ich mich, weiterhin Palliativ-Ärzt*innen auf diesem Ausbildungsweg begleiten zu dürfen.

Liebe Frau Dr. Henry, vielen Dank für dieses Gespräch.

Dr.in Annette Henry war Palliativmedizinerin an der Palliativstation des CS Hospiz Rennweg und ist nun seit vielen Jahren im ärztlichen Team von MOMO, dem Mobilen Kinderhospiz- und Kinder-Palliativteam in Wien. Zudem ist sie im Bereich von Palliative Care in unterschiedlichen Kontexten in der Lehre tätig, u.a. leitet sie Workshops in Palliativer Geriatrie im Rahmen von HPCPH in Wien und Workshops zur Integration des VSD Vorsorgedialogs, den sie mit entwickelt hat, beides Projekt des Dachverbandes Hospiz Österreich zur Integration von Hospizkultur und Palliative Care in Einrichtungen der Grundversorgung.

Wenn Sie weitere Informationen zum Lehrgang für Mediziner*innen und zum gesamten Universitätslehrgang haben, finden Sie hier alle Informationen: https://www.ulg-palliativecare.at/