Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Dasein für Trauernde

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Aufbaulehrgang Trauerbegleitung nach dem Curriculum der BAT

Die Auseinandersetzung während des Lehrgangs mit meinen eigenen Verlusterfahrungen scheint mir für eine künftige Begleitung von Trauernden unabdingbar. Diese Auseinandersetzung macht es erst möglich, Trauernden auf Augenhöhe begegnen, ihre besondere Situation bewusst wahrnehmen und ihre Trauer aushalten zu können.

Mein Bewusstsein und Denken wurden in folgenden Bezügen geschärft:

  • Trauerbegleitung heißt nicht, Trauerprozesse beschleunigen zu müssen bzw. zu können. – Es gilt, den Menschen in seinem/ihrem ganz eigenen Tempo zu begleiten. Trauer kann nicht in Zeit gemessen werden.
  • Trauer ist keine Krankheit. – Sie ist Teil unseres Lebens und macht es oftmals sogar möglich, aufs Neue zu wachsen und neue Bewältigungsstrategien zu mobilisieren.
  • Trauernde sollen in der Begleitung vor allem nicht als „hilflos“ betrachtet werden. – Sie brauchen Zutrauen und Bestärkung, um das Gefühl von Selbstwirksamkeit zu spüren.
  • In der Begleitung von betroffenen Menschen ist primär wichtig, ihnen einen vertrauensvollen und geschützten Raum zu bieten, um ihren Gefühlen und Gedanken in den verschiedenen Facetten Ausdruck verleihen zu können.

Im Trauerlehrgang habe ich neben dem Gespräch noch vielerlei Möglichkeiten kennengelernt, Trauer auszudrücken, auszulösen und zu begleiten – z.B. in Form von Schreiben, Malen oder kreativem Gestalten.

Silvia S., Absolventin 2019

Seit Bestehen der Hospizbewegung kommt der Trauer Betroffener und deren An- und Zugehörigen in allen hospizlichen Angeboten wesentliche Beachtung zu. Der Lehrgang für Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung trägt diesem Umstand Rechnung. Daneben konnten wir in den letzten fünfzehn Jahren eine wachsende Zahl von Anfragen nach Trauerbegleitung wahrnehmen, bei denen trauernde Menschen zuvor keinen Kontakt zur Hospiz-Bewegung Salzburg hatten, die von plötzlichem Tod auch durch Unfall oder Suizid betroffen waren.

Anlass zur Erweiterung unseres Bildungsangebotes für Ehrenamtliche durch den Aufbaulehrgang Trauerbegleitung war 2006 die Situation nach dem Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall (D), in der es mehrere Todesopfer gab. Das bayrische Kriseninterventionsteam war mit der Frage an uns herangetreten, ob wir für die Angehörigen der Todesopfer Trauerbegleitung anbieten würden, nachdem das Krisenteam nach Stunden bzw. wenigen Tagen die Betreuung beenden musste.

Zusammen mit dem Bildungszentrum St. Virgil konzipierten wir für unsere Ehrenamtlichen einen Aufbaulehrgang, der vertiefte Kompetenz in Trauerbegleitung vermittelt. Während die Begleitung Sterbender aus dem Leben hinausgeleitet, führt der Trauerprozess zurück ins Leben, in ein Leben ohne sie, ohne ihn. Das erfordert Wissen um die Ressource menschlicher Trauerfähigkeit und um Trauerprozesse sowie Themen wie vertiefte Selbsterfahrung auf eigene Verlusterfahrungen hin, Krisenintervention, Rituale, kreative Methoden und vor allem Trauergespräche. Hinzu kamen Rahmenbedingungen und Grenzen der institutionellen Trauerbegleitung – für Einzelpersonen wie auch durch Angebote von Trauergruppen, in denen sich spezifische Zielgruppen mit ähnlich betroffenen Menschen austauschen können.

2009 konnte in Salzburg der erste Aufbaulehrgang für Trauerbegleitung angeboten werden, 2014 erfolgte eine Adaptierung an das von der Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung (BAT) freigegebenen Curriculum, an dessen Erstellung ich zusammen mit Poli Zach-Sofaly (Kontaktstelle Trauer der Pfarrcaritas Wien), Karin Oblak (für den Dachverband Hospiz Österreich) und Monika Stickler (Österreichisches Rotes Kreuz) mitarbeiten konnte.

Inzwischen durfte ich als Lehrgangsleiterin und -begleiterin 2020 bereits den neunten Aufbaulehrgang durchführen. Insgesamt haben 158 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diesen Aufbaulehrgang in Salzburg abgeschlossen – ehrenamtlich tätige Hospizbegleiter*innen, Lebens- und Sozialberater*innen, Psycholog*innen, Pflegepersonen u.a.

Im Zentrum des Lehrgangs steht die Vermittlung bzw. Vertiefung der Haltung des Begleitens, die besonders durch Selbsterfahrung und Rollenspiele im Kommunikationsteil spür- und erlebbar wird. Wir sprechen oft von Begleitung durch Dasein und schauen selten auf dessen Vielfältigkeit. Dasein

  • als Wahrnehmen des /der Trauernden in ihrer/seiner Individualität
  • als Bezeugen des tiefen Prozesses, den Trauernde durchleben
  • als Einlassen auf ein Du
  • als Zulassen der vielfältigen Gefühle, Gedanken, Fragen und Sorgen des trauernden Menschen in seinem Anpassungsprozess
  • als Mitaushalten der Trauer ohne Anspruch etwas verändern oder „verbessern“ zu müssen.

So geht es weniger um Vermittlung von Methodik als vielmehr um das Bewusstsein, dass das „Instrument“ der Begleitung die/der Begleiter/in selbst ist.

Menschen haben das Vermögen, nach einem schwerwiegenden Verlust gerade durch die Fähigkeit zu trauern den Prozess des Abschiednehmens und „Verinnerns“ der Beziehung zum/zur Verstorbenen zu durchleben. Wichtig ist, ihnen nicht Hürden in den Weg zu legen – wie Abwehr durch Unverständnis, Ver- oder Wegtrösten, Ignoranz oder Floskeln –, sondern ihnen Räume zur Verfügung zu stellen, in denen ihre Trauer auch als Würdigung der/des Verstorbenen und der gewachsenen Beziehung da sein darf. Damit erfahren Trauernde die Normalität ihres tiefen Erlebens, die Einzigartigkeit nicht ausschließt.

Mai Ulrich, Leitung der Hospiz- & Palliativ-Akademie der Hospiz-Bewegung Salzburg, Trauerbegleiterin

Foto: Mai Ulrich


Die Befähigung zur Trauerbegleitung erfolgt in zwei Stufen: nach Absolvierung eines Befähigungskurses für ehrenamtliche Hospizbegleitung Erwachsener (Grundkurs für Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung, der auch ein Basiswissen in Trauerbegleitung vermittelt), gibt es die Möglichkeit, vertiefend den Aufbaukurs für Trauerbegleitung zu besuchen. Die Ausbildungen folgen dem Curriculum des Dachverbandes Österreich bzw. der Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung. Wer keinen Grundkurs hat, kann einen entsprechenden Einführungskurs besuchen.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die landeskoordinierende Hospizorganisation in Ihrem Bundesland (siehe www.hospiz.at/einrichtungsuebersicht) oder informieren Sie sich über die Website https://www.trauerbegleiten.at/trauerbegleitung-befaehigung.