Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Döner macht schöner – ehrenamtliche Hospizbegleitung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

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Muharrem ist 15 und seit seinem 9. Lebensjahr aufgrund einer fortschreitenden Muskelerkrankung auf den Rollstuhl angewiesen. Seit zwei Jahren wird er von einem Mitarbeiter des Kinder-Hospizteams Graz begleitet. Muharrem und Fritz, so heißt sein Begleiter, sind ein nahezu unschlagbares Team. Fritz ist wohl einer der wenigen Menschen in Muharrems Umfeld, der es schafft, ihn aus der Wohnung zu locken und Spaziergänge auf unglaublich lange 30 Minuten auszudehnen. Die Besuche sind immer sehr willkommen und sowohl für Muharrem als auch für seine Mutter hilfreich.

Fixes Ritual bei den Treffen ist immer der Döner, Muharrem liebt Döner, und so ist es ganz klar, dass die beiden in ihr „Stamm-Kebab“ gehen, um dort gemeinsam ihren Döner zu genießen. Da wird auch mal geblödelt und es kommt zu „Slogans“ wie: „Döner macht schöner“, und natürlich wird auch über alles Mögliche geplaudert. Nun muss man wissen, dass der Döner, wie es in einem von Fritz’ herzerfrischenden Berichten heißt, wahrlich ein Hobby von Muharrem ist, was ihn praktisch zur Pflicht macht!

Es braucht solche fixen Rituale, es braucht das sich Einlassen können, es braucht Kontinuität in der Kinderbegleitung. Häufig holt Fritz Muharrem von der Schule ab, begleitet ihn dann nach Hause oder er bringt ihn zu Therapieeinheiten, wie die Hippotherapie. Diese Auszeiten sind nicht nur für Muharrem willkommene Abwechslung, auch für seine Mutter sind diese besonders wichtig, da Muharrem, durch den zunehmenden Verlust seiner Körperkontrolle, auf viel Unterstützung angewiesen ist. Und sie hat in Fritz auch jemanden außerhalb des Familiensystems, mit dem sie sich über Sorgen und Ängste austauschen kann, was für sie sehr hilfreich ist.

Der Einbruch, den die Corona-Zeit mit sich gebracht hat, war für die Familie eine besondere Herausforderung. In dieser Zeit waren keine Besuche möglich, das heißt auch, dass es keinerlei Unterstützung durch Fritz gab, keinerlei Auszeiten für die Mutter.

Muharrem hatte zu seinen Freunden, die hauptsächlich im schulischen Umfeld zu finden sind, keinen Kontakt. Das Homeschooling war eine Herausforderung und sämtliche Therapieeinheiten konnten nicht stattfinden. Entsprechend groß war die Freude, als Fritz mit Döner, Cola, Kaugummi und Doughnuts das erste Mal wieder zu Besuch kam, um Muharrems Geburtstag gebührend nachzufeiern. Denn während des Lockdowns gab es eben keinerlei physischen Kontakt zwischen Fritz und Muharrem, lediglich Telefonate mit der Mutter haben regelmäßig stattgefunden. Muharrem hat diesen ersten Besuch sichtlich erwartet und auch genossen, er zeigte sich außergewöhnlich gesprächig.

Die wieder aufgenommene Physiotherapie trägt nun Früchte: Muharrem schafft es, den Döner durchgehend selbst zu halten, und kann sich auch alleine in den Rollstuhl heben. Die Schule hat Muharrem in diesem Schuljahr nicht mehr besucht, um ihn möglichst gut vor einer etwaigen Ansteckung mit dem Virus zu schützen. Seine Mutter hat während des gesamten Lockdowns die Zahlen besonders genau verfolgt und ist nach wie vor sehr vorsichtig, da eine Erkrankung für Muharrem mit Sicherheit schlimme Auswirkungen hätte. Glücklicherweise können nun die regelmäßigen Begleitungen wieder stattfinden, das verschafft Erleichterung und bringt zumindest ein klein wenig Normalität für die Familie.

Muharrems Geschichte ist eine von vielen einzigartigen Begleitungsgeschichten.

Begleitungen von lebensbegrenzend erkrankten Kindern und Jugendlichen haben im Lauf der Jahre an Stellenwert gewonnen. Dennoch haben sie, wie so manches im Gesundheitsbereich in Bezug auf Kinder, immer noch viel zu wenig Gewicht. Jedoch braucht es gerade in diesem Segment besondere Unterstützung, Feinfühligkeit und umfassende Kompetenzen, um das gesamte Familiensystem ein Stück weit aufzufangen. Dieses Da-Sein der Kinderhospizbegleiter*innen ist es auch, was den betroffenen Familien zusätzlichen Halt gibt. Dafür setzen sich Menschen wie Fritz täglich ein.

Es verlangt denen, die begleiten, viel Mut und Kraft ab. Dafür erhalten sie Wertschätzung und Anerkennung.

Birgit Winkler, Einsatzkoordinatorin für das Mobile Palliativteam Graz/Graz Umgebung und das Mobile Kinderteam–Palliativbetreuung Graz, Mototherapeutin, Lerncoach


Kinder-Hospizteams begleiten lebensverkürzend erkrankte Kinder und Jugendliche sowie deren Familien. In Österreich gibt es heute 12 Kinder-Hospizteams, in jedem Bundesland mindestens eines. – Ehrenamtliche Kinder-Hospizbegleiter*innen kümmern sich auch besonders um die Geschwister des erkrankten Kindes.

Kinder-Hospizteams sind Teil des Konzepts der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Der Dachverband Hospiz Österreich hat Empfehlungen zur Umsetzung herausgegeben.

© Foto Muharram: Fritz Haring, Hospizverein Steiermark