Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Neue Studiengangsleiterin im Universitätslehrgang Palliative Care

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Mit 1. April 2020 wurde Doris Schlömmer, MMSc zur Studiengangsleiterin des Universitätslehrgangs Palliative Care bestellt. Sie folgt Dr.in Irmgard Nake, die seit 2007 diese Funktion innehatte und nun in Pension ging. Ein herzliches Danke an Irmgard Nake und alles Gute für die neuen Wege!

Rainer Simader, Leiter Bildungswesen im Dachverband Hospiz Österreich, hat Doris Schlömmer anlässlich ihrer Bestellung interviewt.

Liebe Frau Schlömmer,

herzlichen Glückwunsch zur Bestellung als Studiengangleiterin des Universitätslehrgangs Palliative Care! Sie sind mit diesem Studiengang schon seit vielen Jahren verbunden. In den letzten zwei Jahren haben Sie den Level 2, in Ihrem Falle den Vertiefungslehrgang Pflege, geleitet. Sie haben diesen Studiengang auch selbst absolviert und im Jahr 2017 Ihren Abschluss gemacht.

Sie sind Pflegefachkraft und Lehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege. Wie war Ihr Weg in die Hospiz und Palliative Care?

Ich habe vor mehr als 25 Jahren das Diplom der allgemeinen Krankenpflege in Bad Ischl absolviert. Anschließend war ich unter anderem auch lange Zeit im heutigen Universitätsklinikum Salzburg auf der Kinderinterintensivstation tätig, wo ich unweigerlich mit Sterben und Tod konfrontiert war. Zu dieser Zeit, ich begann dort 1995, war von Hospiz und Palliative Care im Pflegealltag nur wenig zu hören . Allerdings habe ich es dort in allen Dimensionen erleben und erfahren dürfen. Unser damaliger aus Norwegen stammender Oberarzt hat alle beteiligten Personen, egal ob Pflegepersonen oder Eltern, an allen Entscheidungen teilhaben lassen, er hat die kleinen Patient*innen als Menschen gesehen und nicht nur die Diagnose und hat immer die Lebensqualität in den Vordergrund gestellt. Es ging ihm nicht darum, das Leben mit all uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verlängern, sondern die aktuelle Situation erträglich und lebenswert zu machen. Als Kinder, oft auch nach vielen Monaten und trotz aller Bemühungen verstorben sind, war es immer möglich der Trauer gemeinsam mit Eltern und Kolleg*innen Platz zu geben, Gefühle zeigen und Mensch sein zu dürfen. Ich habe damals eine Haltung in der Betreuung erfahren, die mich bis heute trägt, und erst später durch den Begriff Hospiz und Palliative Care greifbar geworden ist.

Wenn Sie an Ihre eigene Studienzeit zurückdenken, was sind die bedeutungsvollsten Erinnerungen, die auftauchen?

Meine Motivation, den ULG Palliative Care zu absolvieren, war, dass ich Palliativpflege in der Pflegeausbildung unterrichten wollte. Ich habe damals in unterschiedlichen Einrichtungen hospitiert, da es mir wichtig war, die Basis zu kennen und wahrzunehmen. Während meiner Studienzeit habe ich, so wie in keiner anderen Ausbildung, gelernt, was Achtsamkeit, Akzeptanz und Menschlichkeit bedeutet. Ich konnte viele Erfahrungen und Erkenntnisse für die eigene Lehre mitnehmen und so an die Auszubildenden weitergeben.

Wie erlebten Sie die Entwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung in den letzten Jahren?

Das Fach Palliative Care hat ein eigenes Profil entwickelt. Zu Beginn war es für viele Kolleg*innen oft undefinierbar bzw. unklar, was denn das Aufgabengebiet sei. Wir haben vieles in bester Absicht getan und dadurch Menschen ungewollt und aktiv am friedlichen Sterben verhindert. Heute wird Hospiz- und Palliativversorgung als klarer Auftrag verstanden, in der es nicht nur um Sterbebegleitung geht. Hospizlich-Palliative Begleitung beginnt viel früher und der betroffene Mensch und sein soziales Umfeld stehen im Mittelpunkt und nicht die Therapie oder die Meinung der Betreuenden. Wir verstehen heute auch, was bedürfnisorientierte Begleitung und Pflege bedeuten und das Unterlassen von Handlungen nicht eine Vernachlässigung bedeutet. Organisationen, wie der Dachverband Hospiz Österreich oder die Österreichische Palliativgesellschaft haben viel dazu beigetragen, dass hier eine eindeutige Sprache gesprochen wird und Themen im Kontext dieser Lebensphase nicht verleugnet und der Tod nicht tabuisiert wird. Es braucht aber immer jeden und jede einzelne*n, die*der dieses Wissen annimmt und diese Haltung weiterträgt.

Wenn Sie in die Zukunft von Hospiz und Palliative Care blicken: Was sind für Sie Themen, die sich auch im Studiengang Palliative Care widerspiegeln werden?

In Hospiz und Palliative Care geht es schon lange nicht nur mehr um die Betreuung bestimmter Personengruppen, wie z.B. onkologische Patient*innen. Wir müssen an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen denken oder im Kontext der demographischen Entwicklung die speziellen Bedürfnisse multimorbider und älterer Menschen erkennen. Dazu braucht es ein mehrdimensionales Verständnis von Symptomen, klare Argumente und Instrumente für ethische Entscheidungsprozesse.

Neben der Darstellung von aktuellen Projekten (z.B. Hospizkultur und Palliative Care in Pflegeheimen – HPCPH, Entwicklung von Leitlinien, etc.) und inhaltlichen Themen aus dem Handlungsfeld Hospiz und Palliative Care wird die Qualitätsentwicklung, der Einsatz aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse, sowie ökonomische und sozialpolitische Themen eine große Rolle spielen. Wir sollten aber auch aktuelle Krisenthemen, wie wir sie gerade erleben, nicht außen vorlassen und diskutieren, wie wir Sterbebegleitung und Trauerbewältigung in Krisensituationen ermöglichen können, für deren Ausgang wir selbst nicht verantwortlich sind.

Der berufsbegleitende Lehrgang lebt vom persönlichen Zugang und den darauf basierenden beruflichen Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Kollegiale Beratungen, Methoden zur Selbstreflexion und der Bezug der Praxis stellen die Basis aller Inhalte dar, egal um welche Themen es geht. Um einen aktiven Diskurs aller Berufsgruppen auch in Zukunft zu forcieren und Therapieansätze noch interprofessioneller zu begegnen, ist auch ein Lehrgang für medizinisch-therapeutische Berufsgruppen vorgesehen.

Ich habe noch eine weitere Zukunftsfrage an Sie: Wenn Sie in 5 oder 10 Jahren auf Ihre dann bisherige Tätigkeit für den Studiengang zurückblicken werden: Was wünschen Sie den Absolvent*innen und dem Studiengang?

Wir haben in der spezialisierten Versorgung in Österreich, d.h. in der Versorgung durch Palliativstationen, mobile Palliativteams oder etwa Hospizeinrichtungen schon viel erreicht . Wir müssen aber immer daran denken, dass dies nicht der häufigste Sterbeort der Menschen ist. Nein, unsere Mitbürger*innen sterben, wenn es zuhause nicht möglich ist, vor allem in Krankenhäusern und Langzeitpflegeeinrichtungen. Demnach braucht es dort eine Betreuung, die nicht gesondert als „palliativ“ zu definieren ist. Herr K. auf Zimmer 85 der Internen Station soll auch dort erfahren, was eine würdevolle Begleitung am Lebensende bedeutet, ohne in einer spezialisierten Einrichtung zu sterben. Ich wünsche mir, dass allen Kolleg*innen bewusst wird, dass es nicht nur die Einrichtung oder die Strukturen sind, die Hospiz und Palliative Care kennzeichnen, nein es sind die Menschen und ihre Haltungen. Es liegt auch an uns und jedem einzelnen, welche Möglichkeiten der Begleitung und Betreuung wir dafür finden und einsetzen. Demnach würde ich mir wünschen, dass nicht nur Kolleg*innen aus der spezialisierten Versorgung, sondern insbesondere aus der Grundversorgung und Funktionsbereichen wie Intensivstationen oder Dialysestationen den Lehrgang besuchen werden.

Und was wünschen Sie sich?

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Menschen, die sich entschieden haben, neue Erkenntnisse zur Hospiz- und Palliativversorgung zu erwerben. Sie sind es, die als Multiplikator*innen die gewonnenen Erkenntnisse dann in die Einrichtungen tragen, um dort neues Wissen zu implementieren und in der Folge weiterzuentwickeln. Ich möchte sie dabei unterstützen, indem sie lernen kritisch zu reflektieren, fundiert zu argumentieren und nicht Dinge, gegen die wir machtlos sind, zu tabuisieren. Wir sollten am Ende des (Lebens)tages nicht, wie Woody Allen, sagen müssen: „Ich habe keine Angst vor dem Sterben, ich möchte nur nicht dabei sein“.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für den Start Ihrer neuen Tätigkeit!