Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Der Interprofessioneller Basislehrgang Palliative Care

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„Alle Jahre wieder…“ – oder ab 2020 vielleicht auch alles ganz anders

Am 7. Mai 2019 fand der Einführungstag zum 23. Interprofessionellen Palliativlehrgang 2019/2020 im Kardinal König Haus statt. Ein besonderer Tag im Jahreskreis: nach zahlreichen Vorabklärungen und Telefonaten mit Interessent*innen aus nahezu allen Bereichen und Professionen des Gesundheitswesens ist es schließlich um 9:30 Uhr soweit: die erste Zusammenkunft von mehr als 40 Personen (es gibt noch eine lange Warteliste). Es konstituiert sich eine neue, in dieser Zusammensetzung erstmalige Lehrgangsgruppe von Pflegenden, Ärzt*innen, Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen, Psycholog*innen, Seelsorger*innen. Alle Jahre wieder – und zugleich immer wieder neu.

Im großen Rund des Rahner-Saals ist eine gewisse Aufregung und Spannung spürbar. Die meisten Personen sind einander trotz großer Namensschilder noch gänzlich fremd und doch: sie alle haben sich für diesen Basislehrgang Palliative Care entschieden. Also wieder einmal „ein Anfang, dem ein Zauber innewohnt.“
Für mich persönlich ist dieser Palliativlehrgang auch ein besonderer: nach 15 Jahren als Bereichsleiter von Hospiz, Palliative Care, Demenz bin ich zum letzten Mal in der Lehrgangsleitung beteiligt. Eine Zeit des Übergangs und der Staffelübergabe, eine Ahnung von Vergänglichkeit und Endlichkeit. Mein Nachfolger ist glücklicherweise bereits nominiert und es hat sich eine neue Lehrgangsleitung gebildet. So sind bewährte Inhalte aus dem für alle Basislehrgänge in den Bundesländern verbindlichen Curriculum für die insgesamt 17 Kurstage (in 5 Modulen) geplant, mit einigen inhaltlichen Aktualisierungen und in methodisch abwechslungsreicher Vielfalt, auch der großen Lehrgangsgruppe geschuldet. Wir sind bleibend überzeugt vom Lern-Wert der interprofessionell zusammengesetzten Projektgruppen mit ihren schriftlichen Projektarbeiten, die zugleich die Basis für eine mögliche akademische Weiterführung im Rahmen des Masterstudiums Palliative Care sind.

Beinahe schon ein Vierteljahrhundert lang ist dieser „Basislehrgang Palliative Care“ im Kardinal König Haus eine Art Gesamtkunstwerk, an dem viele Kolleginnen und Kollegen mit Herzblut beteiligt waren und sind – mit ihrem langjährigen Erfahrungswissen, ihrer fachlichen Kompetenz und ihrer hospizlichen Haltung, die den Lehrgang immer wieder auf Neue inspirieren und tragen.

Der Lehrgang 2019/20 wird nach heutiger Einschätzung der aktuellen „Corona-Krise“ ein Lehrgang der Unterbrechung und der Unberechenbarkeit sein. Bislang waren wir gewohnt und verwöhnt, dass unser geplantes Programm zu den Themen Schmerz(therapie), Symptome(-Linderung), Fragen der Kommunikation und Ethik, Trauer, zu den unterschiedlichen Sorgeformen einer integrierten Palliative Care usw. in der Regel selbstverständlich wie geplant auch stattfindet. Ab sofort ist „vorausschauende Planung“ radikal verunsichert. Im „Hier und Jetzt“ zu leben, „abschiedlich zu existieren“ (Verena Kast), bekommt eine neue existenzielle Bedeutung. An der Zeit ist ein „Mut zur Endlichkeit“ (Fulbert Steffensky), der unsere Grenzen – auch die der Machbarkeit eines Kursmanagements – wahrnimmt und anerkennt. Wir können noch nicht wissen, (ab) wann/ob wir einander wieder unbeschwert die Hand geben können – von Umarmungen ganz zu schweigen – oder wieder so dicht auf Tuchfühlung stehen dürfen für ein Lehrgangsabschlussfoto. Oder auch wie es mit großen Fachtagungen für Personen aus dem Gesundheitswesen oder mit dem nächsten interprofessionellen Palliativlehrgang weitergehen wird.

Vielleicht können wir erst im Rückblick ermessen und verstehen, wie radikal dieses Virus uns als Individuen und als Gesellschaft verändert hat. Viele der Absolventinnen und Absolventen der vergangenen Palliativlehrgänge haben immer wieder betont, wie sehr gerade das interprofessionelle Lernen sie verändert und geprägt hat in ihrem beruflichen wie privaten Selbstverständnis. Im Verlauf eines Lehrgangsjahres gab es für einzelne immer wieder einschneidende Ereignisse und Widerfahrnisse. Und auch die Nebenwirkungen einer solchen interprofessionellen Weiterbildung sind nicht zu unterschätzen. Manche haben vom „Hospiz-Virus“ gesprochen, welches unaufhaltsam und unausrottbar wirkt – manchmal wie eine subversive Revolution -, dem man sich kaum entziehen kann, wenn man mit ihm einmal in Berührung gekommen ist.
Es ist alles andere als sicher, ob das zunehmend ökonomisch ausgerichtete und getriebene Gesundheitswesen wirklich hospizlich unterwandert werden kann, damit letztlich nicht Profit und Nutzenmaximierung ausschlaggebend sind, sondern der Mensch in seiner Schwäche und mit seinem Leiden in den Fokus kommt, dessen Existenz nicht durch seinen Leistungs- und Ertragswert begründet ist. Freilich, das Wort „Virus“ ist aktuell in Misskredit geraten. Doch zu hoffen bleibt, dass sich eine Lebenshaltung verbreitet, die gerade in Krisenzeiten den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt und ein „Leben im Fragment“ (Henning Luther) anerkennt und würdigt.

Mag. Dr. Christian Metz

  • Studium der Philosophie und Theologie; diverse Weiterbildungen, u.a. in Organisationsentwicklung; Traumatherapie (Somatic Experiencing)
  • Psychotherapeut & Supervisor in freier Praxis
  • seit 2005 Bereichsleiter im Kardinal König Haus Wien für Hospiz, Palliative Care, Demenz.

e-Mail: metz@kardinal-koenig-haus.at


Sie haben Interesse an einem Interprofessionellen Palliativbasislehrgang? Wenden Sie sich bitte an die zuständige(n) Stelle(n) in Ihrem Bundesland:

https://www.hospiz.at/fachwelt/bildung/interprofessionelle-basislehrgaenge/

 

Copyright Foto: Kardinal-König-Haus, Lehrgangsabschluss 2019