Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Österreich

Die Magie des Begleitens – interkulturelle Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung

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Mit einer inneren Anspannung stehe ich vor der Tür von Familie Mateski* im vierten Wiener Gemeindebezirk.

Ich habe von meiner Ehrenamtskoordinatorin erste Informationen über Familie Mateski bekommen: Es geht um eine Mutter, die sehr fortgeschritten krebskrank ist und von ihren zwei Kindern, Daniel und Sofie, zu Hause gepflegt wird. Es sind bereits eine Pflegeperson und ein Arzt eingebunden. Die Kinder wünschen sich zusätzlich einmal pro Woche jemanden für Gespräche und der bei ihrer Mutter bleibt, wenn sie das Haus verlassen.

Ich habe Bilder und Vorstellungen im Kopf, wie belastet die Kinder sein müssen, sind ja kaum älter als ich und überhaupt, was die alles aushalten müssen.

Ich atme tief durch, halte inne, und mache mich von diesen Gedanken frei. Ich möchte ganz unvoreingenommen dem begegnen, was heute da ist. Ich läute an der Türklingel.

Daniel und Sofie öffnen mir die Tür und die Anspannung weicht in Sekundenschnelle einer riesengroßen Sympathie. Zwei lebensfrohe junge Erwachsene. Ich setze mich ans Bett der Mutter. „Dobar dan“, sage ich in ihrer Muttersprache und berühre behutsam ihre Hand. Ich stelle mich vor und bin mir nicht ganz sicher, ob sie klar da ist und versteht, was ich sage.

Ein erstes Beschnuppern durch die Kinder: Wer bin ich und was mache ich beruflich? Wie komme ich als junge Frau zur Lebens-, Trauer- und Sterbebegleitung und dann auch noch ehrenamtlich? Schon komisch irgendwie. Und im Gegenzug auch meine Frage an die Familie: Wer sind sie und was erwarten sie von mir?

In den nächsten Monaten sprechen wir über das Leben, über Studium und Arbeit, über Reisen und Belangloses. Wir sprechen darüber, wie der Vater und Ehemann vor vielen Jahren ganz plötzlich verstorben ist und die schwere Erkrankung der Mutter, mit der sie schon seit zwanzig Jahren lebt. Wir sprechen über ihre Familiengeschichte, schauen Fotos an und lachen miteinander. Wir sprechen über die Sorge, weil die Mama immer weniger isst und sich sprachlich nicht mehr äußern kann. Über die Angst, sie zu verlieren. Über die Hoffnung.

Ich bleibe bei der Mutter, wenn die Kinder Erledigungen machen oder ein Eis essen gehen. Ich versuche zu erspüren, was ihr gut tut. Vorlesen, ihr etwas erzählen oder Ruhe und meine aufmerksame Präsenz.

Ich bin beglückt, wenn ich die Liebe in der Familie spüre, und demütig, wenn ich sehe, wie liebevoll und voller Hingabe die Kinder ihre Mutter pflegen.

Die Nähe des Todes schafft zwischenmenschliche Nähe. Unmittelbar und sofort. Tiefgehende Begegnungen, von Mensch zu Mensch.

*Namen geändert

Naida ist ehrenamtliche Hospizbegleiterin im interkulturellen Hospizteam der Caritas. Sie durfte bereits mehrere Familien auf ihren Wegen begleiten, viele davon aus dem ehemaligen Jugoslawien, wo auch Naidas Wurzeln liegen.

Im Jahr 2011 hat die Caritas in Wien ein interkulturelles Hospizteam gegründet. In der Begleitung von Menschen am Lebensende hatten wir die Erfahrung gemacht, dass betroffene Menschen in dieser letzten Lebensphase oft in die Sprache und Kultur ihrer Kindheit wieder eintauchen und Sprach- und Kulturwissen für die Begleitungen sehr hilfreich ist. Um dem in der multikulturellen Stadt Wien gerecht zu werden, haben wir Menschen mit vielfältigen kulturellen Wurzeln für Lebens- Sterbe und Trauerbegleitungen gesucht. Das interkulturelle Team bietet uns die Möglichkeiten von anderen Kulturen zu lernen, andere Weltanschauungen und Religionen besser zu verstehen und schlussendlich zu bemerken, dass wir alle Menschen sind, mit sehr ähnlichen Bedürfnissen, wie zum Beispiel nach Geborgenheit und Sicherheit, Schmerzfreiheit und liebevoller Zuwendung.

Von 2011 bis heute hat das Interkulturelle Hospizteam mehr als 250 Menschen begleitet. Die ehrenamtlichen HospizbegleiterInnen haben in dieser Zeit 14.000 Stunden geleistet.

Erich Borovnyak ist seit 2008 Leiter der Hospiz- und Palliativeinrichtungen der Caritas der Erzdiözese Wien.

Möchten Sie als ehrenamtliche Hospizbegleiter*in mitarbeiten oder eine ehrenamtliche Hospizbegleitung für sich oder Angehörige und Nahestehende in Anspruch nehmen?

Ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen begleiten Menschen, die trotz schwerer Krankheit zu Hause, in vertrauter Umgebung leben und auch sterben möchten. Hospizbegleiter*innen sind für Schwerkranke und ihre Angehörigen da, auch in Palliativstationen, Pflegeheimen, Tageshospizen und Stationären Hospizen.

Sie werden für entlastende Gespräche, Spaziergänge, Unterstützung bei Besorgungen, Amtswegen, Arztbesuchen etc. und auch Begleitung in der Trauer eingesetzt.

Hospizteams in Österreich suchen nach Interessent*innen, die unheilbar kranken Menschen und ihren Familien ein heimatliches Vertrautsein geben können. Das interkulturelle Hospizteam braucht darüber hinaus Menschen mit besonderen sprachlichen und kulturellen Kenntnissen.

Eine Voraussetzung ist der Befähigungskurs „Einführung in die Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung“, der von verschiedenen Anbietern in allen Bundesländern abgehalten wird.

Sie haben Interesse, Fragen?

Bitte wählen Sie Ihr Bundesland und „Hospizteam“, um Kontakt zu einem Hospizteam aufzunehmen.

https://www.hospiz.at/einrichtungsuebersicht/


Das oben beschriebene Interkulturelle Hospizteam ist ein interkulturell besonders spezialisiertes Hospizteam von aktuell rund 170 Hospizteams für Erwachsene und 11 für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und ihre Familien in Österreich. Hospizteams sind Teil des österreichischen Abgestuften Konzepts der Hospiz- und Palliativversorgung für Erwachsene. Ehrenamtliche Hospizbegleiter*innen begleiten dort, wo Menschen es wünschen: zu Hause, im Stationären Hospiz, auf der Palliativstation, im Pflegeheim…. Kinder-Hospizbegleiter*innen nehmen sich auch oft der Geschwisterkinder an.

Mehr zu allen Formen der spezialisierten Hospiz- und Palliativeinrichtungen für Erwachsene in Österreich hier.